//

Predigt · Sonntag Jubilate · Pfr. Michael Hufen

Posted on Mai 11, 2023 in Predigten

Liebe Gemeinde,

Bevor ich Ihnen den Predigttext vorlese, möchte ich diese prallen Weintrauben, diese wunderbar saftigen Früchte austeilen. Ich glaube, dass es vielleicht ganz schön ist, wenn man das, von dem gleich gesprochen wird bzw, das Bild von dem im übertragenen Sinne die Rede ist, in der Hand halten, es fühlen und es vor allem auch schmecken kann.

         Austeilen der Weintrauben

Johannes 15

Die Worte des Johannes sind, so denke ich, recht bekannt. Sie begegnen in vielen Gottesdiensten – nach der Austeilung des Abendmahls, bei Tauf- oder Konfirmationsgottesdiensten oder auch wenn ein Pfarrer oder eine Pastorin Abschied von einer Gemeinde nimmt.

Die Worte klingen uns vertraut im Ohr, aber ich vermute auch, dass sie nicht nur einhelligen Wohlklang hinterlassen.

Da ist zum einen die Rede von der Frucht: was ist Frucht, wer bringt rechte und wer unrechte Frucht?

Und zum anderen die Rede vom Feuer, in das unnützen Reben zum Brennen geworfen werden.

Zwei klare Alternativen stellen uns die Sätze aus dem Johannesevangelium vor Augen: Zum einen das Bleiben am Weinstock, das Verbundensein mit Christus, also der Glaube und eine Beziehung zu Gott, die Frucht bringen. Die andere Alternative ist der Unglaube, das Nicht-Bleiben am Weinstock, also: keine Beziehung zu Gott haben und deshalb auch keine Frucht bringen und am Ende gar das Verbrannt-Werden im Feuer.

Das sind klare Alternativen und die Worte Christi beschwören uns, die richtige der beiden Alternativen zu wählen: das Bleiben am Weinstock, die Beziehung zu Christus und damit zu Gott. Wer diese Alternative wählt, dem wird verheißen, dass er gute Früchte bringt und dass seine Bitten von Gott erhört werden. Wenn wir noch andere Worte aus dem Johannesevangelium heranziehen, dann verspricht das Bleiben bei Christus als dem Weinstock noch mehr. Denn Christus ist nicht nur der wahre Weinstock, er ist zugleich der gute Hirte, der für seine Schafe sorgt, er ist das Licht der Welt, das die Finsternis erleuchtet. Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Allen, die an ihn glauben, bringt er die Fülle des Lebens aus der Kraft seiner Auferstehung.

Die Alternativen sind damit klar benannt: Wir können wählen zwischen ewigem Leben und dem Tod, zwischen der Beziehung zu Gott und dem Verderben, zwischen der Fülle des Lebens und der Frucht- und Bedeutungslosigkeit. Keine Frage, wie die Wahl bei diesen Alternativen ausgehen wird.

Doch dass im Johannesevangelium die Alternativen vorgestellt und so klar benannt werden macht deutlich, dass die Entscheidung für Christus und das Bleiben am Weinstock auch zur Zeit der Abfassung des Evangeliums gegen Ende des 1. Jahrhunderts keinesfalls selbstverständlich war. Die Alternative, sich von der christlichen Gemeinde und damit von Christus abzuwenden, steht im Evangelium klar vor Augen und man muss annehmen, dass diese Alternative von Einzelnen und vielleicht nicht nur von Einzelnen tatsächlich gewählt wurde. Der beschwörende Tonfall des Evangeliums scheint tatsächlich nötig gewesen zu sein, damit die Mitglieder bei der Stange bleiben, oder, um in der Bildersprache des Predigttextes zu reden, damit die Reben am Weinstock bleiben.

Hinter den Worten des Evangelisten kann man so ziemlich gut die Situation der Gemeinde erkennen, für die er das Evangelium geschrieben hat, ja für die er dieses Jesus-Wort, das ja in keinem der anderen vier biblischen Evangelien zu finden ist, geprägt hat. Johannes schreibt für eine Gemeinde, der es schwer fällt, beieinander zu bleiben. Die Trennung von der Synagoge fällt den Mitgliedern schwer. Die Naherwartung auf die baldige Wiederkunft des Herrn hat sich nicht erfüllt, die christlichen Gemeinden erfahren heftigen Widerstand – ja, es gibt die ersten Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind.

Um diesen Druck von außen auszuhalten, sieht es Johannes als seine Aufgabe an, die Gemeinschaft der Gemeinde nach innen zu stärken.

Um dies zu erreichen hebt er die Verbundenheit, der Gemeinde mit Christus dem wahren Weinstock hervor. Nur wer am Weinstock bleibt kann Frucht bringen. Der aber, der vom Weinstock getrennt ist, bringt keine Frucht mehr, er muss vielmehr verdorren und wird ins Feuer geworfen.

Nun könnten wir uns ja schon getrost an die Brust schlagen und sagen. Wir sind schon rein, wir sind am Weinstock, wir bringen Frucht.

Aber so einfach ist es nicht!

Wie ist es denn um unser Bleiben bestellt.

Es gibt zu diesem Thema sogar einen, wie ich finde, sehr schönen Witz:

Ein Pastor hat Fledermäuse auf seinem Kirchturm. Er probiert alle gängigen umweltverträglichen Maßnahmen aus, um sie loszuwerden, aber es gelingt ihm nicht. Eines Tages klagt er nun einem Amtsbruder sein Leid. Darauf sagt der nu:. „Ich hatte auch welche, ganz viele sogar, aber ich bin sie alle vollständig losgeworden.“ Darauf wieder der erste: „Wie hast du denn das gemacht?“ – „Ganz einfach! Ich hab sie getauft und konfirmiert – seit dem sind sie nicht wiedergekommen.“

Nun will ich das nicht verallgemeinern, dass sie alle heute hier sind ist der schönste Beweis dafür, dass es doch viele Menschen gibt, die auch nach der Konfirmation oder einer kirchlichen Trauung noch zur Kirche kommen, die gottesdienstliche Gemeinschaft suchen. Doch wenn wir ehrlich sind, wie viel Prozent der doch recht zahlreichen Gemeindeglieder hier in Pankow halten sich denn wirklich zur Gemeinde, legen Wert auf Gemeinschaft, Kontakte zu anderen Christen oder freuen sich über den Besuch des Pfarrers.

Nun macht die Nähe oder die Ferne zur Gemeinde aus den Menschen nicht gleich bessere oder schlechtere Menschen

Und schon gar nicht sind die, die von der Kirche entfernt sind einfach mit den verdorrten Reben unseres Bibeltextes gleichzusetzen. Und die in der Gemeinde gleichzeitig auch alle gleich sympathische Verkünder des Evangeliums.

Aber eines ist doch deutlich: ein Christ ist auf die Gemeinschaft angewiesen.

Die oft gehörte Rede vom Christ-Sein außerhalb der Kirche oder von der Fortdauer des christlichen Glaubens auch nach dem, allein finanziell begründeten, Kirchenaustritt wird durch vielfältige Wiederholung nicht richtiger. Was soll das denn für ein christlicher Glaube sein, der sich selbst genug ist? Der ohne Kommunikation mit anderen Christen auskommt. Ein privates in sich zurückgezogenes Christentum gibt es nicht. Der Glaube verlangt nach der Gemeinschaft – und die gibt es nun einmal nur in der Gemeinde.

Dieses in der Gemeinde Bleiben ist nun nichts Statisches. Es geht nicht um Zurückbleiben, Sitzenbleiben oder Stehenbleiben.

Dieses Bleiben ist ein anderes Bleiben. Es ist ein Bleiben an der Quelle, die Menschen mit Kraft, mit Energie, mit Mut und Tatendrang auffüllt. Dieses An-der-Quelle-Bleiben bedeutet, dass ein Mensch aufbricht, wie eine Knospe ja auch aufbricht. Dieses An-der-Quelle-Bleiben bedeutet, dass ein Mensch nicht hockenbleibt, sondern belebt aufsteht.

Er soll Frucht bringen und dies geschieht nicht beliebig und schon gar nicht aus uns selbst heraus. Wie die Reben aus dem Weinstock wachsen, so ist unsere Frucht, sind unsere Werke Folge unseres Glauben. Weil wir den Zusagen Jesu vertrauen, daran glauben, bringen wir Frucht. Wie diese Frucht nun genau aussieht? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber ich weiß, dass genauso unterschiedlich wie die Menschen, auch die Früchte ihrer Arbeit sind. Wichtig ist nur, dass wir Frucht bringen, nicht stehen bleiben und uns zurücklehnen und sagen: dass hat doch alles keinen Zweck, dies und jenes habe ich schon probiert – es funktioniert einfach nicht.

Dabei bleiben wir immer abhängig vom wahren Weinstock. Das finde ich übrigens sehr befreiend. Zwar sind unsere Fähigkeiten, unsere Fertigkeiten und unser Einsatz gefragt aber das Eigentliche geschieht und liegt außerhalb von uns.

Das Entscheidende wird uns zugesagt: von Jesus, dem Bringer und Garanten der Liebe Gottes. Nicht wir müssen Weinstöcke sein und uns damit in die Gefahr begeben, und zu übernehmen – er ist der wahre Weinstock. Und an ihm ist Platz für alle Reben, die der Schöpfer ins Leben rief – und damit auch für Sie und mich.

AMEN