Predigt · Heiligabend · 24. Dezember 2022 · Nachtmesse · Pfarrerin i.R. Ruth Misselwitz
Lukas 2, 14
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen
seines Wohlgefallens“
Liebe Schwestern und Brüder,
wieder ist es Heilig Abend geworden,
wieder haben wir uns in unserer Pankower Kirche versammelt,
wieder hören wir die uralten Texte aus unserer Bibel
und singen die vertrauten Lieder.
Wieder geht ein Jahr zu Ende und ein neues steht vor der Tür.
Die Zeit stößt das Rad der Geschichte weiter an
und läßt so all unsere Feiertage, Trauertage, Jahreszeiten und
Erinnerungen an uns vorüberziehen und immer wieder neu erleben.
In diesem Jahr finde ich es besonders tröstlich,
Halt zu finden an diesen alten Traditionen.
Es gerät so vieles ins Wanken und bricht auseinander.
Die alten Weisen und Botschaften aber halten allen Stürmen und
Wellen stand,
sie werden nicht den aktuellen Tagesproblemen angepasst
und mit den gegenwärrtigen Trends auf Linie gebracht.
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen
seines Wohlgefallens“
Das ist die frohe Botschaft der Engel an die Hirten in der
Weihnachtsnacht.
Ich gestehe, dass mir die andere Übersetzung von Martin Luther
besser gefällt, wo es heißt:
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen
ein Wohlgefallen“
Die Zusage des Friedens an alle Menschen – nicht nur an die,
die Gott gefallen.
Aber im griechischen Urtext heißt es nunmal:
Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und ich möchte dahinter kommen, was das bedeutet.
Die Menge der himmlischen Heerscharen erscheint den Hirten
und sie beginnen ihren Lobgesang mit:
„Ehre sei Gott in der Höhe“
Zuerst wird der Blick nach oben gerichtet.
Nicht ich, nicht die Engel, nicht das Böse
ist der Mittelpunkt des Universums, sondern Gott.
Gott ist es, dem allein die Ehre gebührt.
Ihm zu folgen verspricht Rettung und Heilung.
Keine andere Kraft, keine andere Macht,
kein Mensch, und sei er noch so mächtig, darf sich diesen
Ehrenmantel umhängen und bedingslose Gefolgschaft verlangen.
Und dieser universale Gott steigt herab auf die Erde,
macht sich klein und wird ein Kind,
um sich den Menschen gleich zu machen
und ihnen zu zeigen,
wie ein Leben in göttlicher Gefolgschaft aussieht.
Ja, es ist möglich im göttlichen Wohlgefallen auf dieser Erde zu leben,
das zeigt er im Leben Jesu.
Es ist möglich, gegen die weltliche Logig der Stärke,
der Gewalt, der Lieblosigkeit
ein Leben in der geistlichen Wahrheit zu leben.
Die Grundpfeiler finden wir in der jesuanischen Verkündigung der
Bergpredigt.
Seid barmherzig und sanftmütig,
vergebt einander,
richtet euch nicht,
zieht zuerst den Balken aus eurem Auge und dann seht zu, wie ihr
den Splitter aus eures Bruders Auge zieht,
liebt eure Feinde,
sammelt keine irdischen Schätze,
sucht eure Sicherheit nicht in weltlichen Systemen,
sondern vertraut euer Leben Gott an.
Legt euren Hochmut ab und beugt euch unter den Höchsten.
So werdet ihr erleben, dass ihr Friedensstifter – Pacifisten seid
und der Frieden wird sich auf euch und eure Umgebung legen.
Ein gottgefälliges Leben bewirkt Frieden auf Erden.
Ein gottgefälliges Leben aber stößt auch auf Widerstände,
auf Gegenwehr, auf Hass, Verfolgung und Tod.
Das Leben Jesu endete am Kreuz.
Dass es noch so viel Gewalt, Hass und Krieg gibt
ist nicht der Beweis dafür,
dass die göttliche Idee für diese Erde falsch wäre,
nein – es ist die traurige Tatsache, dass sie sich gegen die
zerstörerischen Kräfte der Welt so schwer durchsetzten kann.
Aber mit der Geburt dieses kleinen Kindes,
mit seinem Leben und Wirken hat Gott der Menschheit gezeigt,
wie er es mit ihr meint
und welches Ziel ihr versprochen ist – Heil und Rettung.
Und niemand, der die Geschichten und seine Reden kennt,
niemand, die die Geschichten und Reden der alttestamentlichen
Propheten kennt,
kann mehr sagen, sie wüßte nicht, was Gott will.
Die Zeitenwende ist vor 2000 Jahren passiert,
Frieden auf Erden – wir wissen es eigentlich wie es geht.
Aber dieser Frieden ist kein billiges Geschenk,
das wie Sauerbier über die Erde vergossen wird.
Dieser Frieden verlangt Gottvertrauen, Demut, Mut,
Wissen und Einfühlungsvermögen in den Zustand des Gegners
und den Schutz auch seines Lebens.
Nicht mehr und nicht weniger bedeutet Feindesliebe.
Am Ende, liebe Schwestern und Brüder,
finde ich aber auch Trost in der Lutherübersetzung, die da heißt:
„Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Martin Luther ist überzeugt, dass sich kein Mensch die Liebe
und den Frieden Gottes erarbeiten kann,
mit was auch immer für Wohltaten,
weil Gott allein aus Gnade sich unser annimmt.
Und das gibt uns allen die Chance, an diesem Frieden teilhaben zu
dürfen,
auch wenn wir nicht fähig sind, ihn zu verwirklichen.
Wir leben in dieser Spannung zwischen Geschenk und Anspruch
wir erleben tagtäglich, wie wir diesem Anspruch eines
Friedensstifters, einer Pacifistin ganz und gar nicht entsprechen,
wir dürfen aber trotzalledem an der Hoffnung festhalten,
dass Gott auch unser armseliges Bemühen wandeln kann
in Heil und Segen.
Und dann kann das Wunder geschehen,
dass auch wir an diesem Frieden teilhaben dürfen,
obwohl wir ihn nicht verdient haben.
So gesehen, liebe Schwestern und Brüder,
gibt es keine hoffnungslosen Situationen,
keine ausweglosen Krisen
oder gottlosen Übeltäter,
Gott kann jederzeit und überall Menschen berufen,
die sich in seinen Dienst nehmen lassen
und dem Frieden auf dieser Erde dienen.
Das Wunder der Weihnacht ist dafür das göttliche Zeichen.
Amen.