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Predigt · 5. Sonntag n. Trinitatis · 17. Juli 2022 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Jul 16, 2022 in Predigten

1.Mose 12, 1-4

Liebe Gemeinde,

in einer alten Überlieferung heißt es, dass Abrams Vater ein Handwerker war, der mit der Herstellung und dem Verkauf von Götzenbildern gutes Geld verdiente.

Nach seiner Begegnung mit Gott ging Abram in die väterliche Werkstatt, zerschlug mit einem Holzknüppel diese Figuren – bis auf eine, der er den Holzknüppel in die Hand steckte

Abram lebte vor etwa 3500 Jahren irgendwo im nördlichen Irak. Die Menschen hatten sich durch tägliche harte Arbeit auf dem Feld und bei ihren Herden einen geringen Wohlstand erarbeitet. Sie waren zufrieden. Und damit das auch so bliebe, schufen sie sich eine Vielzahl von Göttern: einen für das Haus, einen für den Acker, für die Ernte für den Regen usw..

Sie waren sich sicher, dass diese Götter in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich wirksam sind und sie sich ihr Wohlwollen durch Geschenke und Gebräuche abkaufen ließen.

Abram mochte nun daran nicht mehr so recht glauben.

Nicht etwa, dass er durch langwieriges Überlegen zu dem Schluss gekommen ist, dass diese vielen Götter nutzlos sind und seine ganze Familie einem finsteren Aberglauben anhängt. —

Es gibt eigentlich keinen Grund warum Abram mit den Traditionen seiner Familie, seines Volkes bricht. Es gibt keinen Grund, warum sich Abram mit Sara seiner Frau im Alter von 75 Jahren aufmacht seine Heimat zu verlassen, warum sie ihr hart erarbeitetes Stück Wohlstand hinter sich zurücklassen, um nun als Heimat- und Schutzlose ihren Weg zu ziehen.

Es gibt zumindest keinen leicht nachvollziehbaren Grund, keinen den man leicht versteht, sondern es gibt einen den man entweder akzeptiert, dem man Glauben schenkt oder nicht:

Der Grund heißt: Vertrauen.

Abram vertraut der Zusage Gottes

Er lässt sich so zusagen in diese Zusage Gottes, der ihn erwählt hat, fallen

Es ist das Vertrauen in Gott, der Begleitung und Zukunft verheißen hat.

Nach all den Geschichten die in der Bibel vor dem heutigen Predigttext stehen und die von den Taten der ersten Menschen berichten, ist diese Zusage Gottes nur schwer zu verstehen.

Direkt vor der Abrahamserzählung wird vom Turmbau in Babel berichtet, d e m Versuch der Menschen, sich Gott gleich zu machen, an ihn heranzureichen.

Sie wollen sich einen großen Namen machen.

Dieses Vorhaben scheitert in der gewaltigen Sprachverwirrung und Gott verspricht diesen großen Namen nun Abram – nicht als Anerkennung für irgendwelche Verdienste oder Werke, sondern als Zeichen der freien Gnadenwahl, die auf ihn fiel.

Und Gott sagt Abram noch viel mehr zu. Er will ihn in ein Land führen und ihn dort zu einem großen Volk machen. Und Gottes Segen soll auch auf Abrams Nachkommen sein.

Wenn wir auf den Fortgang der Geschichte schauen, trifft die Verheißung im Wesentlichen auch zu. Auch wenn der Weg den Abram und seine Nachkommen gehen nicht immer ein gerader ist, wenn sie sich auch noch so weit von dem von Gott beschriebenen Weg entfernen und auch Gott in manchen Situationen sehr weit von seinem Volk weg zu sein scheint.

Unser heutiger Predigttext begleitet und beschäftigt mich nun schon seit über 30 Jahren.

Er war 1989 In meinem Abiturgottesdienst in Naumburg Predigttext. Wir Abiturienten hatten 3 Jahre gemeinsam am Kirchlichen Proseminar gelernt und zusammen im Internat gelebt. Dieser Gottesdienst war nun das Ende unserer gemeinsamen Zeit. Jeder würde in seinen Heimatort zurückkehren und nun ohne die anderen seinen Weg weitergehen.

Und dieser Weg versprach damals im Juli 1989 schon sehr herausfordernd zu werden. Die Situation in der DDR veränderte sich radikal, viele Freunde und auch Verwandte hatten das Land schon verlassen oder sollten es bald tun, ja das ganze Land sollte sich bald auflösen. Wohin der Weg uns führen sollte, unsere Gesellschaft, unser Land, war nicht absehbar.

Bei der Gottesdienstvorbereitung überlegten wir, was die Geschichte von Abraham uns heute sagen kann und soll.

Wir meinten den Text für uns auszulegen, wenn wir sagten: „Wir werden gehen und Gott wird schon alles richten“ und wir meinten ihn gegen uns auszulegen, wenn wir sagten: „Wir überlassen die Entscheidung für unser Leben Gott. Wohin er uns führt dahin werden wir gehen.“

Gut wir waren damals 19 Jahre alt und hatten vom Leben sicher viel zu wenig Ahnung, um überhaupt ernsthaft darüber nachzudenken, welcher Weg nun der richtige sein könnte und welcher Weg dann der mit Gott ist.

Aber wie ist das denn mit den Entscheidungen im Leben überhaupt? Woran merkt man denn, dass Gott dabei ist, dass er Entscheidungen beeinflusst oder mitträgt?

Wie weit geht denn unser Vertrauen – in Gottes Begleitung, in seine Fürsorge?

Sind wir überhaupt noch in der Lage aus Vertrauen heraus zu handeln?

Oder sind wir vor lauter Angst, das Falsche zu tun, komplett handlungsunfähig oder hat die allgegenwärtige Angst uns schon jedes eigene Denken ausgetrieben?

Wir wissen, dass die Verheißung Gottes an Abram auch uns gilt, dass wir immer wieder unsere Netze auswerfen sollen, wie es im Evangelium vom Fischzug des Petrus, das für den heutigen Tag vorgesehen ist, heißt und Gott wird uns einen vollen Fang bescheren, wenn wir uns seiner Führung anvertrauen.

„Fahrt hinaus, wo es tief ist.“

Wir wissen aber auch, dass unsere Verheißung und die Zusage, die Gott den Menschen in Abram und später in Jesus Christus gemacht hat, nicht mehr von allen Menschen verstanden wird. Im Korintherbrief hieß es. „Das Wort vom Kreuz ist den Menschen eine Torheit.“

Christen müssen den Spott der Welt ertragen.

Aber wie um alles in der Welt lebt man nun unter dem Segen Gottes, unter der Verheißung und im Vertrauen darauf.

Ich glaube Abram gibt uns ein gutes Beispiel: bei ihm wird deutlich, dass Segen – gesegnet sein – etwas mit Aufbrechen zu tun hat.

Die Segensverheißung Gottes an Abram ist an dessen Aufbruch aus seiner Heimat gebunden. Abram muss etwas aufgeben, um sehr viel Neues zu gewinnen. Er weiß, dass Neues nur werden kann, wenn man das Alte, die Tradition auch einmal hinter sich zurücklässt oder sie, wie wir es von den Götzenbildern vorhin gehört haben, zerschlägt.

Aufbrechen hat sehr viel mit Vertrauen und Hoffen zu tun. Abram bricht auf im Vertrauen auf die Kraft der Zusage Gottes. Er macht sich frei, von dem was ihn festhält und überlässt sich ganz der Führung seines Gottes. Er vertraut darauf, dass sich die Verheißung Gottes als mächtig erweisen wird. Er scheut das Risiko nicht, die Sicherheit, seine Heimat zu verlassen. Er macht sich auf den Weg.

Unser Predigttext ist aber noch mehr. Er ist Zeugnis des Glaubens Abrahs, Zeugnis seines Gottvertrauens – er ist aber auch eine Hoffnungsgeschichte. Abraham geht, getragen von der Hoffnung auf die Zukunft, getragen von der Hoffnung auf ein Leben für sich und seine Familie. Abram weiß, dass seine Hoffnung eine festen Grund hat. Seine Hoffnung ruht auf der Zusage Gottes, der sich ihm offenbart hat, der ihn erwählt hat, der ihm zusagt, mit ihm und den Seinen zu sein.

LIebe Gemeinde,

ich habe in den letzten Tagen eine Andacht zum Thema „Vertrauen“ für das Gemeindeblatt geschrieben und diese Andacht setzt mit einer Erinnerung aus der Zeit ein, in der die Lieder, die wir heute vor und nach der Predigt singen, entstanden sind. Vertrauen wagen – damit wir leben können. In den 80er Jahren ein Kirchentagsmotto. Mitten in der Zeit der Hochrüstung, der Blockkonfrontation. Damals hatten wir Angst vor den Folgen einer nuklearen Auseinandersetzung. Uns war sehr wohl bewusst, dass die vor allem hier in den beiden Teilen Deutschlands ausgetragen werden würde und dass dadurch unser aller Leben zerstört werden würde.

Diese Angst hat aber die Menschen nicht gelähmt – im Westen nicht, wo es eine der größten Friedensdemonstrationen überhaupt im Bonner Hofgarten gegeben hat und auch nicht in der ehemaligen DDR, wo Menschen unter ungleich schwierigeren Bedingungen nach Wegen aus der Konfrontation, den Gesprächsabbrüchen und dem dauernden Feindbildaufbau suchten.

Es heißt, Geschichte wiederholt sich nicht und wenn doch, dann als Farce.

Ich weiß nicht ob es eine Farce ist, dazu ist das Leiden der Menschen in der Ukraine viel zu real, aber ich weiß, dass die Angst, die in unserem Land seit Monaten jeden Diskurs prägt, ganz offensichtlich den Blick verstellt auf die realen Folgen von Aufrüstung, Feindbildaufbau und Gesprächsabbrüche.

Wir sind bereit in unserem Land weit mehr als 100 Milliarden Euro für Hochrüstung auszugeben und gehen sehenden Auges in eine der schwersten sozialen und wirtschaftlichen Katastrophen der neuern Geschichte. Uns steht ein harter Herbst und wahrscheinlich auch ein noch viel härterer Winter bevor. In deutschen Städten werden Wärmehallen eingerichtet und die Hilfsorganisation Die Arche beschreibt Versorgungslücken, ja erwartbaren Hunger bei den sozial Schwächsten.

Weil wir den „Ultrabösen“ im Kreml besiegen und Russland ruinieren wollen?

Ja, Präsident Putin hat am 24. Februar den Einmarsch in die Ukraine befohlen und seitdem gibt es dort unglaubliches Leid und schwerste Kriegsverbrechen.

Rechtfertigt das die Sanktionen, deren Folgen vom 1.Tag an Russland kaum schaden, uns alle aber deutlich ärmer machen. Außer natürlich die, die an jedem Krieg und jeder Krise verdienen.

Rechtfertigt das die Aufrüstung und die Waffenlieferungen?

Oder ist es nicht dringend an der Zeit an den Verhandlungstisch zurückzukehren, im Interesse der Kriegsopfer in der Ukraine, im Interesse unseres Landes und im Interesse eines gemeinsamen Hauses Europa, das nur renoviert und weiter gebaut werden kann, wenn die Interessen aller europäischen Länder – und auch wenn in den Schulen inzwischen schon wieder anderes unterrichtet wird: Russland gehört nicht nur geographisch, sondern auch kulturell seit über 1000 Jahren dazu! – gesehen und berücksichtig werden.

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Wie der Predigttext, begleitet mich auch ein Zitat seit mehr als 30 Jahren. Für mich so etwas wie eine Zusammenfassung meiner Überlegungen und auch eine stetige Mahnung, das was ist, nicht als alles, was sein kann, anzusehen. Es stammt von dem Befreiungstheologen Helder Camara:  “Hoffnung die das Risiko scheut ist keine Hoffnung, Hoffnung heißt den Schritt ins Ungewisse wagen, an das Abenteuer der Liebe glauben und sich ganz Gott überlassen.“

AMEN

Lied: „Vertrauen wagen, dürfen wir getrost“

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