//

Interview mit Michael Hufen, dem neuen Pfarrer in Alt-Pankow

Posted on Jun 13, 2022 in im Kiez, Nachrichten
Interview mit Michael Hufen, dem neuen Pfarrer in Alt-Pankow

»Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen«

Im Januar 2022 bewarb sich Michael Hufen um die Pfarrstelle in Alt-Pankow, im März wurde er von der Gemeinde gewählt. Im Juni tritt er den Pfarrdienst an.


Michael Hufen (52) wuchs in Weimar auf. Nach dem Abitur am Evangelischen Proseminar in Naumburg (Saale) studierte er in Berlin und Jena Theologie und absolvierte Vikariate in Sülzfeld/Rhön und Berlin. Es folgten Tätigkeiten als Hilfspfleger, Bühnenbauer und Fußbodenleger. 2002 wurde er Mitarbeiter mit pfarramtlichen Aufgaben im alten Kirchenkreis Pankow, 2007 ins Ehrenamt ordiniert. Er wirkte als ehrenamtlicher Pfarrer in Bergfelde-Schönfließ, im Elisabeth-Diakoniewerk Niederschönhausen und seit 2016 in Alt-Pankow. Hauptberuflich arbeitete er als Religionslehrer in Berlin-Friedenau, 2020 wurde er im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg zum Schulpfarrer gewählt.

Michael Hufen hat vier Kinder, zwei Enkel und lebt mit Familie und Hund Emil seit 2001 in Pankow. Küsterin Ulrike Queißner sprach mit ihm im Gemeindebüro.

Michael Hufen, ab Juni sind Sie Pfarrer in Alt-Pankow. Mit welchen Erwartungen und Gefühlen beginnen Sie Ihren Dienst?

Ich freue ich mich, dass mich der GKR gewählt hat und mir so viele Menschen aus der Gemeinde ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Seit meiner Zeit am Proseminar vor über 35 Jahren möchte ich Gemeindepfarrer werden. Dass dieser Wunsch nun in Erfüllung geht, macht mich glücklich und dankbar. Die Jahre dazwischen waren aber keine Wartezeit. Vielmehr glaube ich, dass alles, was ich gelernt und erlebt habe, mich zu dem Menschen macht, den die Pankower Gemeinde kennengelernt und nun gewählt hat. Die Gemeinde und ich kennen uns schon sechs Jahre, wir wissen, worauf wir uns einlassen. Das hat sicher Vorteile.

Wie erleben Sie unsere Gemeinde?

Die Gemeinde ist groß, vielschichtig, spannend, musikalisch, politisch, streitbar, selbstbewusst – sie strahlt aus. Die Gemeindearbeit wird von unglaublich engagierten und kompetenten Ehren- und Hauptamtlichen getragen. Ein Resultat davon steht auf der Empore unserer Kirche. Die neue Orgel wäre ohne den Einsatz der Orgelkommission immer noch ein Wunschgedanke. In der Gemeinde finden sehr unterschiedliche Menschen eine religiöse Heimat. Nicht immer funktioniert das ohne Reibung, aber ich erlebe, dass jede und jeder weiß, wie wichtig jeder einzelne Beitrag für die Gesamtheit ist. Und dass wir nur gemeinsam diese bunte, fröhliche und vielgestaltige Gemeinde erhalten und weiterentwickeln können.

Wo sehen Sie Ihre Schwerpunkte in Alt-Pankow?

Ganz diplomatisch würde ich sagen: Bewährtes weiterführen und Neues ausprobieren. Mir fällt kein klassischer Arbeitsbereich eines Pfarrers ein, der vollständig brachliegt. Meine Vorgängerinnen Pfarrerin Misselwitz und Pfarrerin Sippel haben mir ein gut bestelltes Haus übergeben. Ich denke, dass in der Vernetzung der Generation und der Gruppen und Kreise innerhalb der Gemeinde noch Potential liegt. Wichtig ist mir die gute Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen und Gemeindekreisen. Beschäftigen werden uns sicherlich die im Zusammenhang mit der Pfarrdienstwohnung anstehenden Bauarbeiten. In den nächsten Jahren werden wir weiter und hoffentlich noch intensiver mit der Martin-Luther-Gemeinde zusammenarbeiten. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer lebendigen Gemeinde im Herzen Pankows zusammenwachsen.

Haben Sie schon konkrete Pläne für Neues?

Ich möchte einen Religionsunterricht für Erwachsene anbieten bzw. einen Raum schaffen, in dem wir über unsere Religion reden. In dem wir gemeinsam versuchen, unseren Glauben in Worte zu fassen, uns ihm freundlich und positiv annähern.

Welche theologischen Akzente werden Sie setzen?

Ob ich theologische Akzente setzten kann, werden wir wohl erst am Ende meiner Dienstzeit ahnen können. Ich halte die intensive Beschäftigung mit biblischen Themen, mit sich daraus ergebenden theologischen Fragen und letztlich mit der Frage: „Was heißt eigentlich evangelisch glauben?“ für fundamental. Und das ist ganz und gar nicht konservativ gemeint. Vielmehr glaube ich, dass darin eine der Quellen für unsere religiöse Sprachfähigkeit, unser Selbstverständnis liegt. Mit Martin Luther gesprochen: „Wo Glaube ist, da macht er kühn und mutig, dass der Mensch frei seine Not Gott vorlegt und um Hilfe bittet.“ Wovor sollte ich mich denn fürchten, wenn ich vor Gott treten kann und ihn auf meiner Seite weiß?

Alt-Pankow führt ein reges musikalisches Leben. Was bedeutet Ihnen Kirchenmusik und welche Musik lieben Sie?

Mit der Musik von Bach, aber auch Händel und Schütz bin ich aufgewachsen. Seit meiner Naumburger Zeit singe ich in Kirchenchören und bin eng mit Orgelmusik verbunden. Allerdings gestehe ich auch eine Schwäche für Punkmusik und „qualifizierten Krach“.

Wofür bleibt neben Beruf und Familie noch Zeit? Wohin treibt es Sie im Urlaub?

Am meisten zieht es mich nach Italien und an die Ostsee. Gerne bin ich segelnd oder paddelnd auf dem Wasser unterwegs. Durch Berlin bewege ich mich eigentlich nur mit dem Fahrrad. Fußball spiele ich gerade viel zu selten, dafür verfolge ich intensiv die Spiele von Union.

Was treibt Sie im Leben an, was bewegt Sie?

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen!“ – Dieser Vers aus Psalm 18 ist tief in mir verankert. Ich hatte eine recht behütete DDR-Kindheit. Zwar durfte ich nicht zur EOS, dafür verbrachte ich prägende Jahre am Proseminar in Naumburg. Mein Studium dauerte neun Jahre. Etwas blauäugig habe ich mein Beamtendasein in Thüringen gekündigt. Trotzdem ging das Leben mit Hilfsjobs weiter, bis wieder eine Anstellung um die Ecke kam. Auch das Pfarramt brauchte seine Zeit. Ich denke, dass ich ziemlich viel Gottvertrauen und wenig Angst habe. Und immer waren Freunde und Familie da, die mir zugehört haben.

Was fürchten Sie und worauf freuen Sie sich in der neuen Stelle?

Ich habe keine Furcht. Aber ich ahne, dass die gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen nicht spurlos an uns vorüberziehen. Corona hat uns in manchen Gruppen voneinander entfernt. In der Ukraine tobt ein schmutziger Krieg, dessen Auswirkungen wir noch nicht abschätzen können. Die Kirchenmitgliederzahlen sinken stetig. Das verändert die Finanzbasis und auch die öffentliche Wahrnehmung von Kirche. Gleichzeitig glaube ich fest daran, dass wir unter teils schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen nicht nur bestehen, sondern tatsächlich auch weiterhin eine offene einladende Gemeinde und „Kirche für andere“ sein können. Daran wirke ich gerne mit. Ganz konkret freue ich mich auf den kommenden Orgelherbst. Und auf einen Gottesdienst in einer rappelvollen Kirche – ganz ohne Angst.