Predigt · 18. Juli 2021 · 7. n. Trinitatis ·
Prädikant Jes Möller
Liebe Gemeinde,
bei den Oscar-Verleihungen gibt es die Kategorie „beste Nebendarstellerin weiblich“. Fünf Schauspielerinnen schaffen es auf die Nominierungsliste. Das ist ein Riesenerfolg für sie.
Daran musste ich denken, als ich den Predigttext las. Denn eine Frau, die darin vorkommt und die ich bisher gar nicht kannte, müsste in einer fiktiven Kategorie „Altes Testament. Beste Nebenfigur, weiblich“ unzweifelhaft auf die Nominierungsliste gelangen.
Hauptdarsteller in der Geschichte ist Elia, der große Prophet, aber eine wichtige, beeindruckende Rolle spielt eine Frau, nämlich die Witwe von Sarepta. Die kommt allerdings erst im zweiten Teil der Geschichte vor und ich habe wirklich eine Weile überlegen müssen, warum man aus den beiden unterschiedlichen Teilen überhaupt einen einheitlichen Text zum Predigen gemacht hat.
Aber hören wir zunächst den Predigttext. ….1. Könige 17, 1-16
Und es sprach Elia, zu Ahab: So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe:
Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.
Da kam das Wort des Herrn zu ihm: Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen. Er aber ging hin und tat nach dem Wort des Herrn und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach. Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. 8Da kam das Wort des Herrn zu ihm: Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.
Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke! Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit! Sie sprach: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben.
Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; danach sollst Du aber auch Dir und deinem Sohn etwas backen. Denn so spricht der Herr, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der Herr regnen lassen wird auf Erden. Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des Herrn, das er geredet hatte durch Elia.
Sieben Punkte zu dieser Geschichte.
Erstens: Warum musste Elia fliehen?
Die Geschichte beginnt mit einem Konflikt. Elia, der Prophet, spricht zu Ahab, dem König in Israel. Und seine Ankündigung, es sollen diese Jahre (Plural!) weder Tau noch Regen kommen, ist nicht nur eine schreckliche Wettervorhersage, sondern zugleich eine religiöse Herausforderung an denn König und seine Staaatssräson.
Denn König Ahab ist mit der Phönizierin Isebel verheiratet. Beide haben in Israel für Baal Tempel errichten lassen; Isebel kennt diesen Gott aus ihrer Heimat. Baal werden von Israel, das ja den Herrn als den einen Gott verehrt, Opfer gebracht. Baal ist ein Gott des Regens, der Fruchtbarkeit, ja überhaupt der Üppigkeit, er verkörperte eine besondere Vorstellung von Gott.
Gegen diesen Gott politisiert Elia. Denn der Gott, der sich Israel am Dornbusch vorgestellt hat, ist ein anderer. Der „Ich-bin-der-ich-bin“, der mit Israel seinen Bund geschlossen hat, lässt sich nicht verkleinern auf Regen und Fruchtbarkeit, auf Wachstum und Wohlstand. Die Verehrung von Baal ist völlig unvereinbar mit dem Glauben an Gott als alleinigen Schöpfer und Herrn der Welt. Die Fruchtbarkeit von Land, Mensch und Vieh ist ein Geschenk Gottes – und nicht selbst göttlich.
Elia ist eindeutig gegenüber Ahab: Die Anbetung Baals ist Götzendienst. Wenn Fruchtbarkeit vorbei ist, wenn schlechte Zeiten kommen, dann wäre Israel in einer gottverlassenen Situation. Gott ist größer, sagt Elia, er ist auch dann der Herr, wenn der Regen versiegt und der Wohlstand in Gefahr gerät.
Und so kommt es dann auch. Im ganzen Land herrscht tatsächlich Dürre. Wer Wohlstand vergöttert, erntet eine Natur aus dem Gleichgewicht. Regen und Wohlstand sind vorbei.
Aber als Verkünder der schlechten Nachricht ist Elia nun selbst in ziemlicher Gefahr, denn er hatte ja gleichzeitig einen zentralen Punkt der Staatsräson Ahabs – also: Wohlstand durch Baal – infrage gestellt. Und nicht zuletzt auch die Rolle der phönizischen Frau von Ahab.
In diesem Konflikt will Gott keine direkte Konfrontation zwischen dem König und Elia. Es kommt, wie es heißt, ein Wort des Herrn an Elia, er solle ausweichen, sich zum Bach Krit zurückziehen, Raben würden ihn versorgen.
Elia hätte sicher andere Möglichkeiten gehabt unterzutauchen, als sich nun ausgerechnet von Raben versorgen zu lassen, aber, wie hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt, Gott, ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich ein. Davon lässt sich Elia leiten und zieht in die Wüste.
Zweitens. Wie geht es Elia an dem einsamen Bach Krit?
Kurz gesagt, besser als ich erwartet hätte.
Wasser hatte Elia am Bach ja zunächst genug. Und Nahrung? Elia hat nicht nur Wasser und Brot, nein, er hatte sogar Fleisch. Morgens und abends. Elia hat keine Vorräte dabei, er sät nicht, er erntet nicht. Aber sein himmlischer Vater ernährt ihn doch. Gott gibt es den Vögeln unter dem Himmel, die Vögel geben’s Elia. Gott wusste den Weg für Elia.
Drittens. Warum zieht Elia denn eigentlich weiter?
Ganz einfach: Weil die Trockenheit so groß ist, dass nun auch der Bach austrocknet.
Und was will Gott? Er will, dass Elia ins Ausland flieht, in das heutige Libanon, in ein Örtchen namens Sarepta. Zu einer wildfremden Witwe.
Ausgerechnet eine ausländische Witwe! Denn damals ging es den Witwen besonders schlecht, das waren die Ärmsten der Armen. Schon in guten Zeiten waren sie auf Almosen angewiesen. Und ausgerechnet von einer alleinerziehenden Frau soll Elia geholfen werden, einer Frau, der es selbst richtig dreckig ging. Begeistert wird Elia darüber nicht gewesen sein. Aber wer glaubt, gehorcht, auch ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer..
Viertens. Wie ergeht es Elia in der Fremde?
Nach einigen Tagen der Wanderung vom Bach Krit am Jordan in den Libanon kommt er an. Eine Szene wirklich wie im Film: Eine Frau, die selbst nichts hat, trifft einen Propheten in der Gestalt eines Bettlers. Ein Prophet, der kurz zuvor noch am Königshof war und gesagt hatte, ihr verehrt Wohlstand, Regen, Fruchtbarkeit? Falsch! Gott ist größer!
Und Elia bitte zuerst um etwas Wasser nach dem langen Weg. Wasser ist kostbar, aber die Frau geht, um es zu holen. Aber als ihr Elia, als sie schon im Gehen ist, dann ihr hinterher ruft, bring auch etwas Brot mit, platzt ihr der Kragen.
Sie schimpft los: So wahr Jahwe, DEIN Gott, lebt. Du hast ja überhaupt keine Ahnung, wie es hier aussieht, alle Vorräte sind verbraucht. Brot gibt es praktisch keines mehr. Am Verrecken sind wir. So sieht’s hier aus!
Bei aller Verzweiflung, die aus der Frau spricht, eins ist ihr völlig klar, sie sieht nämlich, dass der Bettler an ihrer Tür Israelit ist. Sie sagt: so wahr dein Gott lebt: sie kennt den Herrn, den Jahwegott, offenbar.
Und hier setzt Elia an und sagt zu der verzweifelten Frau: Fürchte dich nicht!
Fürchte dich nicht, wie es wohl 366-mal in der Bibel steht, nämlich für jeden Tag des Jahres einmal. Wie es die Engel zu den Hirten sagen, wie es der Auferstandene zu den Jüngern sagt, es ist gewissermaßen der rote Faden der Bibel, die Kernaussage Gottes.
Ein Gott des Wohlstands sagt nur: Enjoy. Und in schlechten Zeiten hat er versagt, ist er ein Looser. Unser Herr aber will nicht nur, wenn es gut läuft, wenn Wohlstand und Wachstum gesichert sind, sondern gerade auch in Not und in richtig miesen Situationen für uns da sein.
Fürchte dich nicht, Witwe in Sarepta, die du nur eine Handvoll Mehl hast, fürchte euch nicht, wenn Viren und Krankheiten euch bedrohen, fürchtet euch nicht, wenn das Klima heißer wird!
Elia sagt zur Witwe: Fürchte Dich nicht: Und dann weiter: Mach einfach! Du und Dein Sohn werdet nicht verhungern. Dafür verbürgt sich mein „Jahwe-Gott“.
Liebe Gemeinde, jetzt werdet ihr sagen, Elia ist ein Prophet, der muss ja auch so reden. Das stimmt. Das Überraschende kommt aber erst noch. Die Witwe geht und tut, was er ihr gesagt hat, so heißt es im Text. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Was mag der Frau wohl durch den Kopf gegangen sein? Sterben werde ich ohnehin, warum nicht vorher teilen? Menschliche Empathie, die dazu führt, dass jetzt auch so viele Menschen ihre von der Flutkatastrophe betroffenen Nachbarn aufnehmen und ihnen helfen? Oder spürt sie, dass Elia sich nicht etwas erschleichen will, sondern dass der wahre Gott aus ihm spricht? Nicht der menschengemachte Götze des Überflusses und des Wohlstands, sondern der Gott des Trostes und der Hilfe?
Jedenfalls geht sie, bäckt und bringt Elia dann tatsächlich etwas zu essen. Sogar auch zuerst ihm, ganz wie er verlangt hat. Sie vertraut, handelt und teilt zuerst, als Vorleistung.
Und das ist wichtig: Es heißt in der Geschichte nicht: Fürchte Dich nicht, und das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, alles geht gut aus, sondern auf das Fürchte-Dich-nicht kommt die Reaktion der Frau: Sie handelt und bäckt, gibt dann die letzten Lebensmittel auf volles, eigenes Risiko weg – vielleicht ist der fremde bettelnde Ausländer vor der Tür ja doch ein Betrüger – und erst dann gibt es eine Lösung durch Gott.
Der gehorsame Glaube der ausländischen Witwe, das ist für mich ist das Wunder, nicht der dann nicht leerwerdende Mehltopf. Ihr Vertrauen gegenüber Elia und seinem Gott, ihre Hingabe ist nur als Haltung gegenüber Gott möglich. Sie kommt aus dem Vertrauen auf Elia und „seinen“ Jahwe-Gott. Die Witwe wird konkret in der Liebe, die sie einem anderen schenkt, und zwar ohne darin das eigene zu berechnen. Glaube und Liebe als Vorleistung. Sie, die Ausländerin, die Nichtisraelitin, vertraut Gott über alle Dinge.
Und deshalb ist sie für mich eine der erstaunlichen Frauengestalten im Alten Testament.
Fünftens. Warum vertraut die Witwe auf Gott?
Der Grund oder jedenfalls ein Grund heißt Elia. Er kommt als hilfesuchender Bettler und ihn hatte Gott versorgt. Er sagt nicht abstrakt: Fürchte dich nicht, sondern er kommt von Bach Krit, ist dort selbst auf eine sehr ungewöhnliche Weise versorgt worden. Er ist kein Schwätzer, er verbürgt das, was er sagt, mit seinem gelebten Leben. Und so glaubt die Witwe, ohne dass Elia viele Worte macht: Der wahre Gott ist kein Schönwetter-Fruchtbarkeitsgott.
Wer selbst in verzweifelter Lage erlebt hat, dass Gott zuverlässig Wort gehalten hat, der kann anderen absolut überzeugend sagen: „Gott hält auch dich, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche“. Und kann das sogar auch Menschen vermitteln, die gar nicht an Gott glauben, sondern einer anderen Religion angehören wie die Witwe von Sarepta.
Und wegen dieses Zusammenhangs – Elia erlebt, dass Gott zuverlässig Wort hält und kann dies gerade deshalb vermitteln –, wegen dieses Zusammenhangs gehören beide Geschichten in einen einheitlichen Predigttext.
Sechstens: Hatte Elia mit seinem Widerstand gegen Baal Erfolg?
Leider nein. Was auch immer er noch getan hat – die Baals-Verehrung ließ sich offenbar nicht ausrotten.
Der Konflikt zwischen der Vergötterung des Wohlstands – Stichwort: Fleischtöpfe Ägyptens – und dem JAHWE-Gott begleitet Israel von Anfang an. Und nach Elia kämpften nicht nur die Propheten Hosea und Jeremia dagegen an. Selbst im Tempel von Jerusalem befanden sich lange Geräte, die der Verehrung von Baal dienten.
Aber ich fürchte, zwar nennen wir es nicht mehr Baal, trotzdem hat es bis auf den heutigen Tag mit der Vergötzung von Wohlstand und Fruchtbarkeit kein Ende, vielleicht sage ich heute besser: Vergötzung von Wohlstand und Vitalität. Woran hängt heute das Herz der Menschen, woran hängt unser Herz? Beten wir Wachstum und Wohlstand, ja Aus-dem-Vollen-Leben und sogar Völlerei nicht weiter an?
Und so ernten wir jetzt, was wir damit gesät haben. Eine Krise der Welt aus Bevölkerungsexplosion und Klimaerwärmung.
Klar, wir wissen, dass wir Ressourcen teilen müssen wie die Witwe von Sarepta ihr Mehl und ihr Öl geteilt hat. Dass wir unserer Verstand bemühen müssen, um vernünftige Lösungen für tausend verschiedene Teilprobleme zu finden. Dass wir keine symbolischen Alibilösungen akzeptieren dürfen, sondern auf effektive Maßnahmen bestehen müssen. Wir brauchen wirksame Resultate.
Damit wir unsere globale Krise bewältigen, müssen wir als Christen aber den Menschen auch laut sagen, was Elia damals dem König gesagt hat:
Vergöttert nicht den Wohlstand! Wohlstand ist ein Geschenk Gottes – und nicht selbst göttlich. Und natürlich dies uns selbst immer bewusst machen und unser Leben danach ausrichten.
Die lebenszugewandte Geschichte von Elia am Bach Krit und der Witwe von Sarepta hilft uns dabei. Sie schwingt über die Zeiten. Ganz stark zusammengefasst, lautet ihre Botschaft: Gott versorgt uns, das dürft ihr glauben, er hält uns auch. So wie er die Witwe von Sarepta, ihren Sohn und Elia wunderbar gehalten hat. Eine große Geschichte.
Also, bei aller Dürre und bei aller Klimakrise und bei allem, was wir auch wirklich gerne anpacken wollen: Jubelt und freut euch über den Herrn. Er hat Großes getan. Fürchtet euch nicht. Amen.