Predigt · Heiligabend · 24. Dezember 2011 · Pfarrerin Renate Kersten
Liebe Gemeinde,
am Ende und am Anfang ist alles gut. Am Anfang erklang das
Wort. Gott sagte „Es sei Licht!“. Es wurde hell – das Leben
entstand. Gott sah es an und sagte: Das ist gut!
Auch am Ende wird alles gut sein.
Dazwischen ist das Leben bunt und undurchsichtig. Gut und
böse. Krieg, Waffenruhe, Liebe, Hass, Spendenbereitschaft,
Gier, Gewalt und sanfte Berührung – es ist nicht zu fassen,
wozu
Menschen fähig sind.
Unter allem, was geschieht, erinnern wir uns. Es ist etwas in
uns,
das sich an den Anfang erinnert. Und auch an die Zukunft.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und
über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird
man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man
fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer
Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am
Tage Midians.
Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel,
durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und
die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-
Rat,
Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein
Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er‘s
stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis
in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Uralt, diese Erinnerung. Ungefähr 700 v. Chr. festgehalten. Für
den Mittelmeerraum war das ein Teil der Eisenzeit. Weltmacht
war Assyrien, ihr Zentrum lag im heutigen Irak. Die Ränder des
großen Reiches wurden erobert und ausgebeutet.
Soldatenschuhe gingen mit Gedröhn daher, Mäntel wurden
durch Blut geschleift.
Dazwischen leuchtete die Erinnerung des Gottesvolkes auf, eine
Erinnerung an die Zukunft auf. Nicht Rache, sondern Frieden.
Nicht unsere Aktion, sondern Gottes Wirken. Und ausgerechnet
ein Kind.
Wenn ein Kind geboren wird und lebt, ist es tatsächlich so: Ein
Anfang, an dem alles gut ist. Oft nur für einen kleinen Moment,
manchmal für Tage und Wochen. Jedes Kind ist Erinnerung an
Gott, an seine Kraft und daran, was die Erde braucht. Was auch
Erwachsene brauchen. Schutz, Freundlichkeit und einen Ort.
Essen, Trinken, Kleidung, Freunde und Familie. Kein Mensch
braucht Krieg, und wer meint, die einen schützen zu können
indem er andere tötet lebt zynisch und illusionär. Kinder erinnern
uns schmerzlich daran, dass Erwachsenen-Logik nicht klug ist.
Das gilt auch für Erwachsene guten Willens. Wie gerne nehme
ich diese Vision und vergesse, dass sie Gottes Tun beschreibt!
Wie gern legen wir selbst gutwillig und unbedacht Hand an.
Friedensreiche wollte noch fast jeder Herrscher errichten. Selbst
die allenthalben hektischen Weihnachtsvorbereitungen waren
von der Illusion gezeichnet, Weihnachten, das
Weihnachtsgefühl, den Frieden – selbst hervorbringen zu
müssen. Aber Frieden kann man so wenig „machen“ wie Kinder.
Sicher gehört unser Tun dazu. Aber letztlich machen – können
wir nichts. Dass Friede auf Erden wird, ist Geschenk. So wie
Kinder ein Geschenk sind.
Jesus durfte so geboren werden, als unerwartetes Geschenk,
Kind einer jungen Mutter. Gottes Art, die Welt zu regieren, ruhte
auf seiner Schulter. Ruhte und drückte nicht. Er musste nichts
machen, sondern vor allem da sein. Niemand bedrängte sein
Aufwachsen mit großen Erwartungen. Erst später wurde die alte
Verheißung auf ihn hin gedeutet. Erst später begann man,
seinen Geburtstag zu feiern. Denn in der Antike wurden nur die
Geburtstage der Könige gefeiert. Erst nach seiner Auferstehung
sagten die Christinnen und Christen subversiv: Das ist unser
König, unser Herrscher: Ein Kind, einer, der zu Fuß ging, der
keine Armee und keine Bodyguards hatte, keine Altersvorsorge
hatte und keine eigene Familie gründete. Einer, der elend starb.
Der seine Würde nie verlor. Und uns an die Zukunft erinnerte, in
der am Ende alles gut wird, weil Gott es so fügt.
In seiner Nachfolge leben wir und feiern unsere Feste. Das
große Fest heute, dn Geburtstag unseres Herzenskönigs.
Unseren Geburtstage, weil Gott jedem Menschen Königswürde
gibt. Wir erinnern uns an das gute Ende und schützen die
Anfänge, die Gott werden lässt. Wichtiger als alles, was wir tun,
ist das, was Gott tut. Er hat uns zu Weihnachten ein Ende und
einen Anfang geschenkt. Das Ende von Schuld und Angst. Den
Anfang eines Lebens im Vertrauen, das über unseren Tod
hinweg reichen wird.
Daran erinnern wir uns heute. Wir schauen in die Vergangenheit
und horchen in die Zukunft. Und singen und spielen unser Lob,
ihm, dem König in der Krippe. Amen