Predigt · Christvesper · 24. 12. 2024 · Pfarrer Michael Hufen · Jesaja 9, 1-6
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!“
Liebe Weihnachtsgemeinde,
Liebe Schwestern und Brüder!
Weihnachten ist ein Familienfest – so heißt es.
Im „Weihnachtswunder“ dem Film über die Entstehung des Weihnachtsoratoriums haben wir das gerade sehen können – die Bach-Kinder kommen zum Heiligen Abend nach Leipzig – und kommen beim Komponieren und Notenkopieren wieder als Familie zueinander. Und wer gesehen und gehört hat, wie der kleine Gottfried Bach „Ich steh an deiner Krippen hier“ anstimmt und Geschwister und Eltern einstimmen, hat vielleicht auch gespürt, wie schön das ist – und wie wirksam.
„Ich steh an deiner Krippenhier,
o Jesu, du mein Leben;
ich komme, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Mut, nimm alles hin
und laß dir’s wohlgefallen.“
Weihnachten – „Driving home for christmas“ – Distanzen werden überwunden, um wieder beieinander zu sein. Auch sorgsam übers Jahr ausbalancierte Distanzen. Und dann prallen manchmal die Unterschiede aufeinander, verdeckte Gefühle brechen auf und, ja, manchmal kann die eine oder der andere das gar nicht mehr aushalten. Und ja, manche und mancher von uns hier in der Singlehauptstadt Deutschland bleibt auch am Heiligen Abend allein.
Aber liegt – mal von allen persönlichen Umständen abgesehen – in der gemeinsamen Tradition Weihnachten zu feiern, alte Bräuche zu pflegen und sei es auch nur einmal im Jahr, nicht schon die Keimzelle von dem, was wir auch auf Weihnachten projizieren? – nämlich einen erheblichen Teil unserer kulturellen Tradition darzustellen und darüber hinaus DAS, was wir so dringend brauchen -zu sein: DaS Friedensfest..
Erinnern sie sich, erinnert ihr euch an vergangene Weihnachten?
Die Reisen zu den Eltern, quer durchs Land, manche Gäste, die Jahr für Jahr kamen, obwohl sie nicht zur Familie gehörten, die alte Dame, die immer bei den Schwiegereltern auf dem Sofa saß und manchmal so schaute, wie sie hieß.
Ist das nicht schon sehr viel, dass sich Menschen treffen, die sich sonst aus den Augen verlieren würden – zu Weihnachten! Zu Weihnachten in den Wohnugen und Kirchen, im Gemeindehaus hier, am Nachmittag das traditionelle Weihnachtstreffen von Alt Pankowern, die sich seit den Zeiten des Friedenskreises treffen, in der Nacht dann die Jung Pankower, der jungen Gemeinde, die die Heilige Nacht im Jugendkeller gemeinsam feiern.
Treffen über die engeren Familiengrenzen hinaus, im Freundeskreis oder sogar als Projekt für Menschen, die sonst am Heiligen Abend ganz und gar allein bleiben, wie es in einigen Gemeinden Tradition ist.
Ich halte es für ganz wichtig, dass wir solche vielfältigen Möglichkeiten gerade zu Weihnachten nutzen! Können wir mit und bei unserem Weihnachtsfest wenigstens eine Abgrenzung überwinden und durch solche Gemeinschaften ein wenig zum Frieden im Kleinen beitragen.
Beginnen tut diese Weihnachtsgeschichte ganz klein, in einem Kämmerchen in Galiläa, in dem eine junge Frau eine Engelsbegegnung hat
„Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären,
dem sollst du den Namen Jesus geben.
Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden;
und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und seine Herrschaft wird kein Ende haben“
(Lukas 1).
Für die ersten Leserinnen und Leser des Lukasevangeliums war klar, dass sich der Evangelist hier auf den Text aus dem Buch Jesaja bezog, den wir vorhin gehört haben:
„auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids“ – und das ihre Hoffnung auf diesen göttlichen Frieden in Jesus Mensch geworden ist.
In ihrer Friedenshoffnung unterscheiden sich diese Menschen vor 2000 Jahren nicht von uns heute. Sie erlebten und wir tun das auch: Krieg ist Mittel der Politik, Krieg tötet Menschen, zerstört Häuser und Städte, Lebensentwürfe und Menschlichkeit.
Zum Weihnachtsfest 2024 hoffen wir auf Frieden für die Ukraine und für Russland, für Israel, für das palästinensische Gaza und die anderen palästinensischen Gebiete, für den Libanon, für Syrien, für alle anderen Konflikte auf unserer Erde! Ja und auch für das Leben hier in diesem Land – wie zerbrechlich das Leben hier, der Weihnachtsfrieden ist, haben wir spätestens mit dem Anschlag in Magdeburg wieder leidvoll erfahren.
„Ich lag in tiefster Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht’,
wie schön sind deine Strahlen!“
Unsere große Bitte an dieses Kind ist die Bitte um Frieden:
Darum, dass die Hoffnung lebendig bleibt, dass Frieden werden kann.
Frieden mit denjenigen, die wir für Feinde halten, mit denen wir uns eine Zukunft nicht vorstellen können.
Ja: Gerade mit diesen „anderen“ zusammen wird und kann Frieden möglich werden. Das ist die Botschaft des Weihnachtsfestes für uns alle!
Wir Christen können über unsere Ideen und Interessen hinaussehen auf den, der für uns schon Frieden gestaltet hat und immer wieder gestalten wird: auf diesen Jesus aus Nazareth, der über unsere Begrenzungen hinausgekommen ist, der deshalb für uns „Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“ (V. 5) ist.
Wann oft mein Herz im Leibe weint
und keinen Trost kann finden,
rufst du mir zu: „Ich bin dein Freund,
ein Tilger deiner Sünden.
Was trauerst du, o Bruder mein?
Du sollst ja guter Dinge sein,
ich zahle deine Schulden.“
Nehmen wir die Weihnachtsgeschichte doch ernst und wörtlich: EUCH ist der Heiland geboren.
Das „Euch“ sei das wichtigste Wort in der Weihnachtsgeschichte, sagt Luther. Und er meint damit, dass man die Geschichte von der Geburt in Bethlehem vielleicht anrührend oder lehrreich finden mag und dass man ohne sie eigentlich nicht Weihnachten feiern will, dass man aber dennoch das Wichtigste an ihr übersehen kann: „Euch ist heute der Heiland geboren“.
Euch, Dir und mir – heute.
Liebe Gemeinde
Dem Kind in der Krippe begegnen die Hirten, handfeste Leute, die Gott und religiöse Dinge aus ihrem Alltag ausblenden. Sie brauchen scheinbar keinen Heiland, keinen himmlischen Retter, erwarten ihn nicht und auch sonst wahrscheinlich nicht viel Gutes für ihr Leben. Aber sie machen sich auf zu dem Kind von Bethlehem und begegnen in ihm dem lebendigen Gott: dem Gott, der so ganz anders ist, als sich das Menschen vorstellen, dem Gott, der ihnen so nahe kommt, und der ein wirklicher Mensch, ein Baby wird, in Windeln gewickelt. Und diese Geburt verändert sie. Sie – die handfesten Leute – fangen an, über dem, was sie erlebt haben, Gott zu loben und zu preisen.
Das Kind in der Krippe kommt zu dir, jetzt in dieser Stunde. Jetzt, bei den Liedern, beim Hören auf die Weihnachtsgeschichte und beim Beten kommt es zu dir. Es will nicht nur im Stall von Bethlehem wohnen, sondern auch in deinem Herzen, dort, wo sich Angst und Sorge ausgebreitet haben mit den vielen Fragen, wie alles werden wird. Dort will es wohnen, die Sorgen zurechtrücken und dem Vertrauen Raum schaffen, dem Glauben, dass Gottes Liebe größer ist als du ahnst.
„Euch“, uns ist heute der Heiland geboren, Jesus Christus. Dir und mir. Deshalb können wir verändert von dieser Krippe weggehen wie einst die Hirten: mit Jesus im Herzen und einem Loblied für Gott auf den Lippen, überreich beschert von Gott noch vor unserer Bescherung zu Hause.
Eins aber, hoff ich, wirst du mir,
mein Heiland, nicht versagen:
daß ich dich möge für und für
in, bei und an mir tragen.
So laß mich doch dein Kripplein sein;
komm, komm und lege bei mir ein
dich und all deine Freuden.
Amen
„Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn!“