Predigt · 14. Sonntag nach Trinitatis · 1. 9. 2024 · Pfarrer Michael Hufen · 1. Thess 5, 14-24
Liebe Gemeinde,
woran sind eigentlich Christen zu erkennen? Oder genauer gefragt woran sollten wir zu erkennen sein und woran wollen wir erkannt werden? Am Aufkleber auf dem Auto, dem Kreuz am Halskettchen, am häufigen Benutzen von Bibelversen?
Oder daran, dass man mit der Botschaft der Bibel lebt und versucht auf diese Botschaft mit seinem Leben Antwort zu geben?
Die Botschaft der Bibel, die christliche Botschaft, was ist das eigentlich?
Unsere Bibelausgaben helfen uns da ein bisschen. Besondere Verse sind fett gedruckt. So kann man auch beim Überfliegen der Texte schnell die Kernaussagen erkennen.
In unserm Predigttext gibt es nun gleich drei solcher fett gedruckten Verse:
Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.
Prüft aber alles und das Gute behaltet.
Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.
Woran sind Christen zu erkennen?
Der Apostel Paulus hat versucht diese Frage in seinem Brief nach Thessaloniki zu beantworten.
An ihrem Miteinander sollen Christen zu erkennen sein. Hilfe, gute Ratschläge für die „Unordentlichen“, die ihr Leben nicht so in den Griff bekommen, wie es wünschenswert wäre. Trost für die, die am Leben verzagen, die vor den großen Herausforderungen ihres Lebens den Mut verlieren. Halt für die Schwachen, für die, die aus der Gesellschaft der Starken und Erfolgreichen herausfallen. Geduld mit allen, auch mit denen, die mir auf die Nerven gehen. Und natürlich niemals Böses mit Bösem vergelten. Nicht zurückschlagen, sondern die andere Wange hinhalten. Sich nicht vom Bösen überwinden lassen, sondern das Böse mit Gutem überwinden.
Vor 2000 Jahren war eine Gemeinschaft, die von diesem Geist durchdrungen war und so lebte hoch attraktiv für die Menschen. Sie fühlten sich angezogen von dem Lebensstil der christlichen Gemeinschaft, von der Nächstenliebe, der Offenheit und Demut, die in ihr herrscht. An einem Tisch versammeln sich Männer und Frauen, Arme und Reiche, Freie und Sklaven.
Das gab es nirgendwo sonst, da möchte man dazu gehören.
Aus ganz unterschiedlichen Gründen hat sich diese Besonderheit und Attraktivität im Laufe der Jahrhunderte verändert. Wir sprechen davon, dass die christlichen Werte in der Vorstellung von Menschenrechten und allgemein gültigen Werten aufgegangen sind. Und die Kirchen haben in der Geschichte genügend Anlass geboten, ihre Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit anzuzweifeln.
Ich möchte mit den drei fett gedruckten Versen heute mit Ihnen einen Blick auf drei wichtige Themen dieses Tages wagen. Denn ich glaube, dass der Geist des Christentums auch heute für alle Menschen eine besondere Botschaft hat und erkennbar werden kann.
- Prüft aber alles und das Gute behaltet. – und die Landtagswahlen.
Gebannt werden heute haben 18 Uhr viele Menschen auf die Hochrechnungen aus Sachsen und Thüringen schauen. Erwartungen, Befürchtungen und sogar Angst werden dabei bei vielen Menschen mitschwingen. Nun will ich keinerlei Wahlempfehlungen geben – bringt ja auch hier im fernen Berlin nicht so viel. Aber ich bin Paulus dankbar! Er sagt erst einmal „Prüft alles“ – schaut es euch genau an, was euch versprochen wird, erinnert euch, lasst euch Zeit und prüft. Prüfen bedeutet, legt einen Maßstab an, messt die Politikerinnen und Politiker an dem, was gut ist – für euch, für eure Gemeinschaft und für die Welt. Lasst euch nicht verführen mit vermeintlich einfachen Lösungen und einfachen schwarz/weiß und richtig/falsch Mustern. Ihr wisst doch, was ihr sucht und braucht, was ein gutes Miteinander unterschiedlicher Menschen in einer Gemeinschaft ermöglicht und was diese Welt zu einem guten Ort zum Leben für alle Menschen macht. Erschließt euch die politisch so gern benutzten Themen „Gerechtigkeit“ und „Freiheit“ immer wieder neu und habt dabei gerade auch die Menschen im Blick, mit denen es euch schwerfällt, die so ganz anders denken, fühlen und leben. Denn nur so ist das möglich, was wir alle so sehr brauchen und ersehnen: Frieden.
Und bekannterweise ist nach den Wahlen vor den Wahlen.
- Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für das Kommen unseres Herrn Jesus Christus.
- Und der 85 Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs, der Weltfriedenstag
Paulus schreibt an seiner Gemeinde einen Mutmachbrief und versichert sie seiner besten Wünsche. Er wünscht den Christen in Thessaloniki, dass ihr Geist, samt Seele und Leib von Gott bewahrt werden. Und auch hier wieder in aller Deutlichkeit: ihr wisst doch, wer Gott ist. Er ist der Gott des Friedens. Glaubt an ihn und was ihr von Jesus gehört habt.
Vor 85 Jahren begann der 2. Weltkrieg mit dem Angriff Deutschlands auf Polen. Dieser Krieg, der sich innerhalb von 2 Jahren zu einem europäischen Krieg und dann tatsächlich zu einem Weltkrieg ausgeweitet hat, der etwa 70 Millionen Menschen das Leben gekostet hat – auf den Schlachtfeldern und in den Konzentrationslagern, den Städten und Dörfern dieser Welt – ermordet, verhungert und zu Tode gequält.
Er ist ein Gott des Friedens?
Ja, weil Gott das Leben liebt und nicht den Tod, weil er uns Menschen ohne Ansehen von Herkunft, Status und Aussehen annimmt, weil er selig preist, die den Frieden suchen. Allerdings nicht den Siegfrieden der mit Waffengewalt erreicht wird und mit der Eroberung fremder Territorien, der Aneignung von Rohstoffen und Handelswegen und vor allem der Tötung unzähliger Menschen und Zerstörung ihrer Wohnorte und Lebensgrundlage verbunden ist.
Und deshalb oder gerade
- Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.
- Und dieser Festgottesdienst zum Auftakt des 4. Pankower Orgelherbstes
Diese Aufforderung ist vielleicht die größte Herausforderung für uns Christen.
Fröhlich sein – immer, Beten ohne Unterlass und Dankbarkeit als Grundhaltung.
Paulus ist kein Träumer oder ein ignoranter Betrachter der menschlichen Wirklichkeit. Auch er ist krank und leidet, er kennt die Zeiten, in denen ihm vor Kummer das Herz ganz eng wird, die Sorge um Menschen im Krieg. Und doch weiß er hinter allem, hinter dem, was ihn und uns bedrängt und belastet, einen Grund zur Freude. Er weiß, dass unser Leben und die ganze Welt in Gottes Hand sind. Er weiß, dass Gott uns liebt und dass uns nichts und niemand von seiner Liebe trennen kann.
Er weiß, dass es schwer ist, dieser Gewissheit und dieser Hoffnung zu glauben. Er ist
beides: traurig und doch froh, bedrängt und doch voll Zuversicht. Auch wenn Schlimmes geschieht, weiß er doch, dass Gott uns liebt. Auch wenn er Angst hat, weiß er doch, dass Gott ein gutes Ziel für uns hat. Darum hat er hinter allem Grund zur Freude. Und an diesem Grund hält er sich fest. Darum will er nicht aufhören zu beten und zu danken und er fordert uns auch dazu auf.
Der Grund, sein Faustpfand ist dabei allein der Blick auf Jesus. Nur auf ihn kann er die Christen verweisen.
Denn Jesus kennt doch die ganze Not und alles Schlimme, was Menschen angetan wird. Er ist bei den Menschen in ihrer Angst und ihrem Leid. Er ist sogar im Tod bei uns. Und überwindet das alles. Und lebt. Das ist hinter allem der Grund, dass wir uns freuen – auch und gerade heute; an unserer Orgel und der wunderbaren Musik, die Rudite Livmane für uns spielt und die wir in den nächsten Konzerten noch hören werden.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, soll eure Herzen bewahren und euch einen festen Grund geben in ihm, in Jesus. Amen.