Predigt · Reformationstag · 31. 10. 2024 · Pfarrer Michael Hufen · Zu drei Bildern Caspar David Friedrichs
Liebe Gemeinde
Vor genau einer Woche war ich in der Caspar David Friedrich Ausstellung in Dresden.
Beim Betrachten der Bilder kam ich auf die Idee, ob die religiösen Motive der Bilder, ja die tiefe Frömmigkeit Caspar David Friedrichs, die in den Bildern immer wieder deutlich hervortritt, nicht auch eine Möglichkeit wären, am Reformationstag über Glauben und Kirche nachzudenken.
Nun maße mir nicht an die drei Bilder, die ich ausgewählt habe in ihrer tatsächlichen Tiefe heute darstellen und beschreiben zu können, hoffe aber, dass meine Auswahl uns allen beim heutigen Nachdenken inspiriert.
Für Casper David Friedrich sind wir Menschen „Gott wie dem Teufel gleich nahe und gleich ferne. Er (der Mensch) ist das höchste und niedrigste Geschöpf, das edelste und das verworfenste, der Inbegriff alles Guten und Schönen wie auch alles Verruchten und alles Verfluchten. Er ist das Erhabenste der ganzen Schöpfung, aber auch der Schandfleck alles Erschaffenen.“
Und weil das so ist, ist für den religiösen Menschen die Frage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, die Luther an- und umgetrieben hat, nicht ferne.
Im Bild „Die Kathedrale“ sehen wir nun eine völlig überhöhte Darstellung einer neogotischen Kirche. Getragen von Engeln, erleuchtet von geradezu göttlichem Licht, himmelwärtsstrebend, ja auf Wolken schwebend – ein Sinnbild für die wahre Kirche, die von Gott errichtet, erst in einer fernen Zukunft sicht- und erlebbar, ja überhaupt SEIN wird?
Für CDF ist klar, dass Kirche und Glauben neu gedacht werden muss – glauben heißt für ihn ein Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit zu haben – Sinn und Geschmack für das Unendliche – über die bloße aufklärerische Rationalisierung des Glaubens hinaus, überhöht und idealisiert er in seinen Bilder das religiöse Gefühl. Glauben geht über das durch Lehre und Moral vermittelte hinaus, mitten hinein in die persönliche Empfindung und aus ihr hervor.
Was irdisch, was hier auf Erden kirchliche Wirklichkeit ist, kennen wir alle. Und egal, ob wir nun evangelisch oder katholisch sind, wir wissen alle, das Kirche immer zu reformieren ist – semper reformanda – reformieren, nicht nur renovieren. Nicht nur kosmetische Arbeiten an der Oberfläche, sondern gestalterische Arbeiten an der Form.
Wieder in Form bringen, an dem orientiert, was Fundament und äußeres Erkennungszeichen ist und sein soll.
Friedrich schreibt „Dunkelheit decket die Erde. Ungewiss ist aller Wissen doch nur. Es leuchtet am Abend der Himmel, Klarheit strahlt von oben.
Sinnet und grübelt, wie ihr auch wollt, Geheimnis bleibet euch ewig der Tod. Aber Glaube und Liebe sieht Freude und Licht jenseits dem Grabe.“
„Meeresufer bei Mondlicht“
Dieses Bild hat mich vor einer Woche geradezu gepackt und eben auch auf die Idee zur heutigen Reformationstagsandacht gebracht.
In Psalm 8 heißt es „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst.“
Unter einem endlosen Himmel kreuzen Schiffe durch steinige Gewässer. Die Blicke der Betrachter werden geradezu magisch von der Horizontlinie, die mittig das Bild durchschneidet, angezogen. Eine Trennlinie zwischen unten und oben? Das Licht das diese Horizontlinie – vielleicht der erhoffte Zielpunkt unserer Reise – so klar erkennen lässt, kommt aber nicht von dort. Es kommt von oben. Kaum durchdringt es die Wolken und doch! Durch Spiegelungen kommt es letztlich zu uns. Wer den Ursprung des Lichtes sucht, wird den Blick aufheben müssen – nach oben.
„Die ganze Welt soll und kann kein andres Licht haben, durch das sie könne
erleuchtet werden, als Christus allein. Dieser Glaube und Bekenntnis
ist der rechte Grund, auf dem die christliche Kirche gebauet ist. Dies
ist auch der Kirche einig Merkmal und Wahrzeichen, an dem man sie als
an einem ganz gewissen Zeichen erkennen soll.“ So sagt es Martin Luther
Gottes Licht erleuchtet strahlend diese Welt, seine Kirche und uns
– „und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn
all mein Verdienst und Würdigkeit.“
Auch in den Bilder CDF ist das Licht nicht immer strahlend und hell – und wir können sagen: ja so ist es, die Kirchengeschichte und unser eigenes Erleben geben davon ausführlich Zeugnis.
Bild „Ostermorgen“
Ein Dreiergruppe von Frauen ist auf dem Weg und gerade an der durch die Sträucher rechts und links definieren Grenze vom Vorder- zum Mittel- und Hintergrund des Bildes. Dies Position ist zu deutlich betont, als dass man nicht unweigerlich an eine Passage, einen Übergang denken müsste:
Beim Evangelisten Markus heißt es : Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
Im Bild von CDF leuchtet die Sonne – oder wie manche Interpreten sagen, der Vollmond-
Über der Szenerie., noch fahl durch die morgendlichen Nebelschleier. Gottes Licht weist den Weg zum Grab und darüber hinaus in eine neue Wirklichkeit.
Mit Gottes Licht unterwegs sein, mit Jesus, der uns zusagt: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Ich glaube, dass uns so gelingen wird, die Seligpreisungen aus der Bergpredigt, die wir ja als Evangeliumslesung für den heutigen Tag gehört haben, aus dem Status einer überweltlichen Hypermoral – mit der ja angeblich keine Politik zu machen sein – wieder hier in unser alltägliches Leben zurückzuholen, der Kirche auch hier in unserer Stadt ein freundliches und einladendes Gesicht zu geben und sie dadurch immer wieder zu reformieren.
Oder um es noch einmal mit Martin Luther zu sagen:
„Wir sind es doch nicht, die da die Kirche erhalten könnten. Unsere Vorfahren sind
es auch nicht gewesen. Unsere Nachkommen werdens auch nicht sein; sondern
der ists gewesen, ists noch und wird’s sein, der da sagt: ‚Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.’“
Mit der Hinwendung zum Herrn der Kirche und dem Gebet zu ihm fängt jede Reformation an. Oder um es im Bild der Bibel zu sagen: „Die ihr den Herrn erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, laßt ihm keine Ruhe, bis er“ – und jetzt sage ich: die Kirche erneuere!
Amen