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Predigt · 8. Sonntag nach Trinitatis · 21. 7. 2024 · Pfarrer Michael Hufen · Epheser 5, 8b-14

Posted on Jul 21, 2024 in Predigten

Liebe Gemeinde,

Licht und Finsternis – ein Begriffspaar, wie es gegensätzlicher kaum sein kann. Unversöhnlich steht es sich gegenüber. Wo es hell ist, kann es nicht dunkel sein. Und wo die Finsternis herrscht, ist für das Licht kein Platz. Entweder – oder. Klare Sache.

Und wie schön ist es da, immer wieder Lichtgestalten vor Augen zu haben. Menschen deren Werk und Wirken manchmal schon zu Lebzeiten als vorbildlich beschrieben wird, die geradezu übermenschliche, fast heilige Züge annehmen und bei deren Namensnennung alle sich wissend anschauen, wohlwollendes Murmeln anhebt und geradezu andächtige Stimmung sich breit macht.

Lichtgestalten finden wir in Bibel und Politik, in der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Die sogenannten Philantropen, milliardenschwere Großspender für alle möglichen Weltrettungsprojekte, asketische Wissenschaftler, die bis zur Selbstaufgabe an dem einen wissenschaftlichen Durchbruch arbeiten, Präsidenten, denen man zutraut, dass allein die Nennung ihres Namens die ganze Welt verändert und biblische Gestalten, denen auf einen unerreichbaren Heiligensockel gehoben, jeder menschliche Schwäche fremd zu sein scheint.

Ich werde mich nun hüten irgendwelche Namen zu nennen, zu werten und zu beurteilen. Denn Lichtgestalten haben ja nun mal ihren Status durch uns Menschen, die wir sie verehren. Und außerdem würde ich mich ja auch selbst auf einen Sockel ins Licht stellen, wenn ich mindestens auf die Grauzone hinweisen würde, in der sich die oder der bewegt, wenn ich die ein oder andere Person nicht gar gänzlich der Finsternis, der dunklen Seite der Macht zuordnen würde.

„Denn die einen sind im Dunkeln

Und die anderen sind im Licht.

Und man sieht die im Lichte

Die im Dunkeln sieht man nicht.“

Licht und Finsternis – eine beliebte Metapher – auch in der Bibel, ein Sprachbild, um den Unterschied zwischen Gemeinde und Welt, zwischen Glauben und Unglauben, zwischen Gottesnähe und Gottesferne deutlich zu machen. „Ihr seid Kinder des Lichts; mit der Finsternis habt ihr nichts zu schaffen.“ Klare Sache.

Klare Sache?

Ich muss gestehen: ich habe ein ungutes Gefühl dabei. Mit Schwarz-Weiß-Malerei werden wir dem Leben nicht gerecht, auch nicht, wenn sie mit der Bibel in der Hand daherkommt. Wenn die einen ganz genau wissen, dass sie den rechten Glauben haben und die andern auf dem Holzweg sind, dann werde ich skeptisch. Wenn immer nur die andern die Dunkelmänner sind, während sich die einen im Licht moralischer Überlegenheit sonnen, dann stimmt etwas nicht für mich. Schließlich weiß ich doch von mir selber, wie zwielichtig mein Leben manchmal ist. Selbst wenn ich mit gutem Willen etwas anfange, kommt am Ende nicht nur Gutes dabei heraus. Allzu oft enttäusche ich Menschen, kränke sie oder tue ihnen Unrecht, auch wenn ich es nicht will. Nein, so einfach ist das nicht mit Licht und Finsternis, mit Gut und Böse, mit Glauben und Unglauben.

Liebe Gemeinde, wir haben den Predigttext aus dem Epheserbrief vorhin schon als Brieflesung gehört. „Lebt als Kinder des Lichts! Habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis!“

Also doch alles ganz einfach? Ich entscheide, wo ich stehe?

TEXTLESUNG

Liebe Gemeinde

Der genaue Blick in den Text zeigt mir, dass unsere Zuweisungen gar nicht gefragt sind. Nicht wir teilen ein, wer im Licht und wer in der Finsternis lebt, sondern Gott rückt uns ins rechte Licht. Und von da aus ergibt sich alles andere.

Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis liegt im letzten Satz: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten!“ (V. 14) Die Neutestamentler haben herausgefunden, dass es sich dabei um einen Weckruf aus der Taufliturgie handelt, der über den (erwachsenen) Täuflingen nach dem Untertauchen ausgerufen wurde. „Gott hat dir in Christus neues Leben geschenkt – nun wach auf, werde lebendig! Gott hat dich aus der Finsternis in das Licht seiner Liebe gestellt – nun lebe auch als ein Kind des Lichts!“

Wer ins Licht gerückt wird, fängt selber an zu leuchten. Er strahlt aus, was er empfangen hat. Unsere Leuchtkraft als Kinder des Lichts ist also abgeleitet. Sie gilt „im Herrn“: „Früher wart ihr Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.“ (V. 8a) Das knüpft unmittelbar an das Evangelium dieses Sonntags an, wo Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Ihr seid das Licht der Welt!“ Zwischen dem „Ihr seid das Licht der Welt.“ und dem „Nun lebt als Kinder des Lichts!“ liegt die Taufe. Mit der Taufe fällt das Licht des auferstandenen Christus auf uns, der von sich gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Und darum gilt uns auch seine Zusage: „Ihr seid das Licht der Welt!“ Darum, und allein darum, können wir als Kinder des Lichts leben.

Von dieser grundsätzlichen Klarstellung erschließen sich die übrigen Aussagen des Predigtabschnitts. Das Gegenüber von Licht und Finsternis gewinnt eine starke versöhnliche Dynamik. Wenn wir als Kinder des Lichts die Werke der Finsternis aufdecken, dann nicht, indem wir mit dem Finger darauf zeigen und uns dann überheblich abwenden in dem Bewusstsein, selber auf der richtigen Seite zu stehen. „Das Licht scheint in der Finsternis,“ sagt das Evangelium von Jesus. Und so sollen auch wir als Kinder des Lichts unser Licht leuchten lassen. Wir überwinden das Dunkle und Böse nicht, indem wir uns darüber erheben, sondern nur, indem wir das Gute aufleuchten lassen, das uns anvertraut ist.

Das Gute leuchten lassen – indem wir uns der gut/böse, hell/dunkel Zuordnung entziehen und einen anderen Weg finden, der dann eben nicht so endet, wie das Lied aus der Dreigroschenoper dessen letzten Vers ich schon gelesen habe und am Ende doch wieder alles so bleibt, wie es schon immer war:

„Dass er nur im trüben fische
Hat der Hinz den Kunz bedroht.
Doch zum Schluss vereint am Tische
Essen sie des Armen Brot.“

Auswege finden, Zukunft ermöglichen, tatsächlich für alle Menschen und nicht nur für die, die bereit sind sich ihren Platz an der Sonne mit allen Mitteln zu sichern.

In der Geschichte von König David, sie erinnern sich, wir hatten letztens die Szene von David und Saul in der Höhle – auch hier wären Zuordnungen ganz einfach gewesen, dabei ist das Vorbildhafte Davids höchst ambivalent. Vorbildhaft ist, dass „Entfeindung“ eine Möglichkeit ist, Gewalt zu durchbrechen und so Gott sichtbar aufleuchten lassen in unserem Leben.

Ich bekam letztens eine Buch geschenkt: „Calvin gegen Castellio“.

Calvin auch so eine Lichtgestalt, der Reformator Genfs und großer Glaubenslehrer, wir haben ihn sogar hier an der Kanzel vor Augen. Doch ein dunkler Schatten liegt auf diesem Bild: die rücksichtslose Verfolgung und dann Hinrichtung von Michael Servet, einem spanischen Gelehrten, der theologisch anderer Meinung war als Calvin und der so zum 1. Ketzer wurde, der von der Reformation verbrannt wurde. Sebastian Castellio, ein Humanist wendet sich nun gegen Calvin: „Die Nachwelt wird es nicht fassen können, dass wir abermals in solchen dichten Finsternissen leben mußten, nachdem es schon einmal Licht geworden war.“ schreibt er.

Castellio gilt als der Begründer der Theorie der geistigen und theologischen Toleranz, lange vor den französischen Philosophen und lange vor Kant.

„Einen Menschen töten, heißt nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern einen Menschen zu töten.“ schleudert er den fanatischen Verteidigern der jeweils reinen Glaubenslehre entgegen. Denn Christus habe eben keine absolute Wahrheit gelehrt, sondern die Liebe.

Castellio schrieb: „Es mache auch keinen guten Eindruck auf „Türken und Juden“, wenn „diejenigen, die den Namen Christi bekennen, von den Christen selbst durch Feuer, Wasser und Schwert und ohne jedes Erbarmen umgebracht und grausamer behandelt werden als Diebe und Wegelagerer“.

Entfeindung und Toleranz sind keine fauler Kompromisse.

Licht bleibt Licht und Finsternis bleibt Finsternis. Aber als Menschen, die von der Liebe Jesu erleuchtet sind, gehen wir liebevoll-eindeutig und nicht besserwisserisch auf die Welt und die Menschen zu – und schon gar nicht mit offener Gewalt.

Das ist eine wichtige Erkenntnis für unser Selbstverständnis als Christen in der Welt. Nicht Rückzug aus der Welt ist angesagt; nicht die Welt mit ihrer Dunkelheit sich selbst überlassen. Wir werden in der Welt gebraucht, damit die verwandelnde Kraft des Lichts auch in die dunkelsten Ecken kommt.

„Ihr seid das Licht der Welt – nun lebt als die Kinder des Lichts!“

Am Anfang der Predigt habe ich gesagt, Licht und Findsternis stehen sich unversöhnlich gegenüber. In der Finsternis wäre kein Platz für das Licht. Und nict wenige von Ihnen werden sich an den Anfang des Johannes Evangeliums erinnert haben. „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen“

Wir wissen alle um die Zusage Jesu „Ich bin das Licht der Welt“ – wir werden nicht in der Finsternis wandeln, wenn wir ihm nachfolgen

„Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Es gibt sie, diese Früchte, und ich möchte sie mir nicht klein reden lassen. Ich möchte selber dazu beitragen, dass sie unter uns und bei mir wachsen können – damit auch andere auf den Geschmack kommen. Ich möchte mithelfen, dass sich das Licht der Liebe ausbreitet und die Dunkelheiten dieser Welt immer mehr überwindet, damit auch andere sich anstecken lassen. Ich weiß um die Zwielichtigkeit unserer Kirche und meines eigenen Lebens. Aber ich weiß auch um das verwandelnde Licht dessen, der uns mit der Taufe in sein Licht gerückt hat und der uns immer von neuem ruft und weckt: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“

Amen.