Predigt · Sonntag Lätare · 10. März 2024 · Pfarrer Michael Hufen · Predigtreihe „Casper David Friedrich“ II
Sonntag Lätare 10.3.2024
Predigtreihe „Casper David Friedrich II – Der Mönch am Meer“
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Sonntag Lätare – Lätare – Freuet euch – sozusagen das Bergfest der Passionszeit, Mittfasten genannt oder kleines Ostern – in der katholischen Tradition gibt es statt der lila heute rosafarbenen Paramente an Altar und Lesepult. Ostern ist im Blick und mit dem heutigen Sonntag verändert sich der Fokus: Gottes Gnadenhandeln an uns, trotz oder gerade wegen all unserer Verfehlungen tritt in den Mittelpunkt und nimmt so in unserer vorösterlichen Suchbewegung den Gedanken von Heimat und Zuflucht auf, die wir bei Gott haben und immer wieder finden können, wie groß wir auch den Abstand zwischen uns und Gott werden lassen oder für wie unüberwindlich wir ihn halten.
Ich bin ja eigentlich kein Freund des Zufalls, aber es tatsächlich zufällig, dass in unserer Predigtreihe über Bilder von CDF gerade heute „Der Mönch am Meer“ Gegenstand der Betrachtung ist. Ein Bild, über das der Romantiker Clemens Brentano sagt: „Herrlich ist es in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer. Dazu gehört gleichwohl, dass man dahin gegangen sei, dass man hinüber möchte, dass man es nicht kann. Dazu gehört der Anspruch, den das Herz macht und dann Abbruch, den einem die Natur tut.“
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Zu unserem heutigen Bild „Mönch am Meer“ ist vielleicht schon alles gesagt – nur noch nicht von jedem. Aber gerade darum geht es.
Ich möchte heute einiges zu diesem Bild sagen, ja dazu predigen, was ja doch ein Unterschied ist – oder auch nicht. Eigentlich könnte jeder von Ihnen und euch etwas dazu sagen. Und das wird jedes Mal einen ganz eigenen Schwerpunkt haben, ja einen ganzen Kosmos offenbaren, eine je persönlich gefärbte Beschreibung von Gedanken und Gefühlen beim Betrachten dieses Bildes sein.
Und das ist bei diesem Bild doch so ganz anders als bei der Betrachtung von so vielen andern Bilder in einer Gemäldegalerie. War doch die Landschaftsmalerei bis zu Casper David Friedrich angefüllt mit – ich nenne es einmal Gegenständen – der Betrachtung.
CDF sagte selbst dazu: „Ich glaube, dass die Landschaftsmalerei ihrer Zeit, schon näher gestanden hat, als gegenwärtig. Wo man durch Anhäufung von Gegenständen aneinander, hintereinander und übereinander die Bilder überladet.“
Hatte man bis dahin versucht durch gewaltige Wasserfälle, Flüsse, Felsen, Wälder und Gebirge die unergründliche Kraft der Welt, der Natur zu beschreiben und symbolisch zu erhöhen, so reduziert CDF sein Bild auf vier Elemente: Strand, Meer, Himmel und Mensch.
„Sieh wie leergeräumt das Bild ist. Fast nur Himmel ist geblieben und sieh, wie endlos weiter das Blickfeld nach beiden Seiten hinaufgezogen wurde. Alles scheint ins Grenzenlose zu verlaufen, der helle Uferstreifen, der dunkle Meeresstreifen darüber.“
Und mittendrin eine kleine Gestalt, dunkel, ein Mönch? ein Kapuziner?, wie sie Brentano und Kleist benennen, der Maler selbst oder….?
CDF ist mit diesem Bild etwas gelungen, was er selbst für das Größte eines Künstlers hält: nämlich „geistig anzuregen und in dem Beschauer Gefühle und Empfindungen zu erwecken und wären sie auch nicht die seinen.“
Was sehen wir, was sieht die dunkle Gestalt?
Unendliche Weite, tosende See, dunklen Himmel oder am oberen Bildrand das Zartrosa. Hören wir die See, den Wind, die kreischenden Möwen oder die Stille?
Die Stille, die wir selbst erfahren können am Meer, so wie CDF auf der Insel Rügen.
Stille und grenzenlose Weite.
CDF beschreibt sein Bild in einem Brief einem Freund: “Es ist ein Seestück. Am Strande geht tiefsinnig ein Mann im schwarzen Gewande. Möwen fliegen ängstlich schreiend um ihn her, als wollten sie ihn warnen sich nicht aufs Ungestüme Meer zu wagen. Dies war die Beschreibungen, nun kommen die Gedanken: und sinnest du auch vom Morgen bis zum Abend vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht, dennoch würdest du nicht ergründen das unerforschliche Jenseits.“
Wollen und nicht können, verstehen wollen und daran scheitern – es bleibt nicht mehr als – CDF nennt es selber so – eine „Ahndung“, eine heilige Ahndung, die nur im Glauben zu sehen, zu erkennen ist.
Oder wie es der zeitgenössische und CDF wohlbekannte Theologe Schleiermacher sagt: Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.
Doch bleiben wir bei CDF, der schreibt: „Heilig sollst du halten jede reine Regung deines Gemüts. Heilig achten jede fromme Ahndung, denn sie ist Kunst in uns!“
Und auf die Regung des Gemüts kommt es, so meine ich, beim Betrachten des Bildes an, denn es verweigert sich unseren eingeübten Betrachtungsweisen.
Keine Perspektive zieht uns ins Bild, keine räumliche Ordnung, kein Gegenstand lädt länger zum verweilenden Betrachten ein.
So gesehen, ist es für mich völlig klar, warum CDF drei gestrandete Schiffe, die man bei der Restaurierung in Tiefenschichten des Bildes entdeckte, wieder übermalte. Keine vermeintlichen Fixpunkte, keine symbolisch aufgeladenen Gegenstände sollen zwischen dem Betrachter und dem Bild stehen.
Clemens Brentano schreibt dazu: „Das, was ich in dem Bilde finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde. Nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte und einen Abbruch, den mir das Bild tat, indem es denselben nicht erfüllte. Und so war ich selbst der Kapuziner, das Bild war die Düne. Das aber, wohin aus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz.“
Denn das Bild verweigert den Eintritt und damit jegliche Illusion sich an einem Meeresufer zu befinden.
Es lässt den Betrachter draußen vor der Leinwand stehen und wirft ihn so auf sich selbst und auf seine Gedanken zurück.
Unsere Blicke wandern über das Bild: Strand, Meer, Himmel – Farbflächen.
Und doch bleiben wir hängen. Das Betrachten geht in ein Sehen über, das kein Auge fassen mag. CDF nennt diese Sehen: „Was nur im Glauben gesehen und erkannt werden kann und dem endlichen Wissen der Menschen ewig ein Rätsel bleiben wird.“
Dass CDF möchte, dass der Betrachter sich genau auf diesen Weg macht, nämlich über das bloße Anschauen, den sinnlichen Augenschein zu einer geistigen Anschauung im Glauben zu gelangen, ist nicht nur eine Interpretation. CDF schreibt kurz vor Fertigstellung des Bildes an einen Freund: „und dann lade ich sie und alle die Wohlgefallen daran finden ein „Kommet und sehen!““
Wir können uns selbst ein Bild machen – von dem Bild. Können selbst unseren Ort suchen, als Betrachter, als schwarze Gestalt und es als eine Einladung nehmen, uns der Anschauung des Unendlichen hinzugeben
Liebe Gemeinde,
„Kommet und sehet“
Lasst euch von diesem Bild irritieren und herausfordern.
Mich hat es in den letzten Tagen sehr herausgefordert. Dabei meinte ich es zu kennen. Einige Jahre hing es über meinem Schreibtisch und es fällt mir tatsächlich nicht leicht zu beschreiben warum, warum ich es so mag und warum es mich so herausfordert, ja sogar erschüttert und zugleich tröstet.
Wenn ich am Meer bin oder, was auch häufig vorkam auf dem Meer, geht es mir gut. Ich genieße die Ruhe, kann stundenlang zuschauen, wie die Wolken ziehen, sich ihre Farben verändern, Wetter heraufzieht, die Wellen an den Spülsaum rollen. Ich kenne die Ostsee, blank wie ein Teppich, der bei heraufziehendem Gewitter am Horizont mit dem Himmel verschmilzt, ich kenne die scharfe Horizontlinie bei klarem Wetter und das aufgewühlte Meer, das vom Strand nur noch einen kleinen Streifen übriglässt.
Wenn ich das sehe und mich daran erinnere, fühle ich so etwas wie Heimat. Hier wo ich bin, ist es, wie es sein sollte. Aus allem, was ist, kann ich tatsächlich dahin zurückkehren und bei allem, was ist, ist diese „Heimat“ ein sehnsüchtiges Gefühl. Geborgenheit, die ich herbeiwünsche, die aber eigentlich vor allem im Heimweh zu Hause ist.
Und jetzt wird es schwierig für mich zu formulieren, weil ich befürchte, dass es vielleicht nicht zu verstehen ist: der Mönch ist für mich zugleich Ausdruck des Gefühls von Heimat, wie auch von Heimweh, aber noch viel mehr: er steht für mich für die Akzeptanz des „Mit-Sich-zuletzt-Alleinseins“ von uns Menschen.
So gesehen ist es für mich nachvollziehbar, in der Person einen Mönch zu sehen, steht er doch als „Glaubensmann“ eben für Glauben, als der Möglichkeit mit diesem „Mit-sich-Selbst-Alleinsein“, mit der Heimatlosigkeit umzugehen, tatsächlich Heimat zu finden – als tiefsten Ausdruck menschlichen Sehnens und Hoffens.
Glauben als Möglichkeit – und ich würde sagen als der Weg – dieses Sehnen und Hoffen auf Heimat, Beheimatung zu leben, Trost zu finden, wie es in der Epistel für den heutigen Tag heißt:
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist ein Vater, dessen Erbarmen unerschöpflich ist, und ein Gott, der uns nie verzweifeln lässt. Auch wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir immer wieder Mut.
Und zugleich zu verstehen, dass dies hier nicht alles ist, wie es im Evangelium heißt:
Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.4Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein;
Der Blick wird weit und offen für die neue Anschauung dessen, was ist und was sein wird.
Ja der Himmel liegt trüb und wolkenlastig auf der dunkle Meeresfläche, aber seltsam: sieht es nicht aus, als würde er trotzdem seine düstere Schwere und Undurchdringlichkeit verlieren, als wollte er sie in höchster Höhe ganz hinter sich lassen?
Denn Schau wie seine oberen Wolken Ränder sich frisch und rosig färben und in welch durchscheinendem Blau seine Unermesslichkeit sich zu zeigen, ja zu leuchten beginnt.
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.… Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Amen