//

Predigt · Sonntag Sexagesimäe · 4. Februar 2024 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Feb 4, 2024 in Predigten

Liebe Gemeinde

Kennen sie ihren Taufspruch?

Vielleicht haben Sie ihn auf den Zettel geschrieben, den Sie beim Hereinkommen bekommen haben – dazu gleich.

Mein Taufspruch ist mir eigentlich erst bei der Anmeldung zur Konfirmation begegnet.

Vorher spielte er keine Rolle. Und danach eigentlich auch nicht. Zumindest nicht bewusst. Und im Nachhinein diesen Vers in Abschnitte oder Wendepunkte meines Lebens hineinzudeuten, finde ich nicht besonders redlich.

Aber tatsächlich ist mir beim Nachdenken über die Predigt der Gedanke gekommen, dass der Vers, das Bibelwort, das der Pfarrer für mich vor – ich muss das nun also mal sagen – 53 Jahren ausgesucht hat, viel mit mir, meinem Leben und meinen Fragen zu tun hat.

Matthäus 13, 3 „Siehe, es ging ein Säemann aus zu säen“

Säemann sein? – Saat sein? Also auch selber säen und doch gesät werden oder der Boden sein, auf den der Same ausgesät wird?

Im Säemann-Gleichnis, das wir als Evangeliumslesung (Lukas 8, 4-8) gehört haben und das sich auch beim Evangelisten Matthäus findet, ist von verschiedenen Böden, verschiedenen Menschengruppen die Rede, auf die das Wort Gottes wie ein Samen fällt und die sich unterschiedlich dazu verhalten.

Bin ich eine „gutes Land“ und bringe viel Frucht?

Konnte ich vorhin den Psalm 119 wirklich mitbeten und mich darüber freuen, dass Gott mich anspricht? Ist Gottes Weisung wirklich Trost und kann ich den klugen Rat, der darin ist, annehmen und überhaupt als klug erkennen?

In einem anderen Text für den heutigen Sonntag im Hebräerbrief begegnet uns Gottes Wort als Widerwort, als Gegenrede. Es stellt mich als Menschen mit meinem Tun in Frage. Es ist unbequem und stellt in Frage, was mir zur liebgewordenen Wahrheit geworden ist und stellt meine enge Sicht der Dinge ins helle Licht von Gottes Wahrheit.

Mein eigenes Wollen und meine Sehnsucht zu Erkennen – was brauche ich dazu und in welcher Rückbindung geschieht das?

›Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zum ihm kommen kann‹, beginnt die Erklärung zum dritten Glaubensartikel in Luthers Kleinem Katechismus.

Erst Gottes Geist lässt mich zum guten Land werden. Und so haben wir es vorhin gesungen ›Herr, für dein Wort sei hoch gepreist‹ (EG 196) und Gott um Hilfe gebeten, sein Wort recht zu erfassen.

Das Gleichnis von der Saat wird damit zu meiner Geschichte.

Matthäus 13, 3 „Siehe, es ging ein Säemann aus zu säen“

HIER WURDEN DIE ZETTEL MIT DEN BIBELVERSEN AUS DER GEMEINDE VORGELESEN

Liebe Gemeinde,

dieses auf Gottes Wort Hören und auch gegenseitig hören, welche Verse und Gedanken die Menschen mit denen ich in einer Gemeinde bin im Leben begleiten, ist wichtig. Zuhören, sich auf andere Gedanken, als die schon allzuoft im vertrauten Umfeld gehörten einlassen, weitet mindestens den Blick und das Nachdenken.

Der Apostel Paulus hat, bevor es die uns bekannten Evangelientexte gab, aber schon eine muntere Auseinandersetzung, die in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten an Schärfe immer mehr zugenommen hat, auf etwas wichtiges hingewiesen was beim Verstehen und Leben helfen kann: „Prüft“! Prüft, was ihr sagt, prüft was ihr tut, welch Geistes Kind ihr seid und wes Geistes Kind die sind, die euch begegnen und versuchen euch mit ihrer Wahrheit zu überzeugen.

Eine Art Prüfungsmaßstab kann der heutige Predigttext sein, sozusagen die Ausführung zum Nachdenken über Säemann und Saat und Boden

Im Markusevangelium heißt es im 4. Kapitel:

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.
28
Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Arbeit und Schlafen, die eigene Ungeduld und Erwartungshaltung und das geduldige Warten.

Welche Saat gelegt ist, wann und wie sie sich entfaltet und was wir Menschen dazu tun können.

„Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn ich daran ziehe“

So heißt es etwas salopp und vielleicht auch hoch philosophisch.

„Das müssen die doch endlich, doch nun mal wirklich verstehen, machen, tun ändern ….“

So denken die Altvorderen in der Gemeinde über die Konfirmandinnen und Konfirmanden, die Eltern über ihre Kinder, die sich doch nun mal endlich und wirklich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden sollten, all die guten Vorsätze in Taten umsetzen.

So denken auch Menschen, die die Ungerechtigkeiten, die Kriege unserer Zeit nicht mehr ertragen. Die Blödheit der jeweils anderen politischen Gruppe. Das Handeln des Gegenübers, das ja so viel verdammungswürdiger ist als das eigene. Die müssen doch nur unsere Werte teilen, dann wird alles gut.

Prüfen wir unsere Ungeduld, unsere Erwartungen und Hoffnungen und unseren Glauben.

Wo bleibt das, wofür wir beten, was wir so dringlich und mit Nachdruck von Gott erbitten oder je nach Frömmigkeitsform auch einfordern.

Da fällt uns der heutige Predigttext in den Arm.

Wir arbeiten und schlafen, es wird Tag und Nacht und der Same geht auf und wächst und wir wissen nicht wie. Wie von selbst bringt die Erde Frucht, den Halm, die Ähre, den Weizen, der satt macht.

Haben wir in unserer schnelllebigen auf Selbstoptimierung und zählbaren Erfolg und Profit ausgerichteten Zeit eigentlich das Wesentliche im Blick?

In einer jiddischen Geschichte heißt es, dass in einem Städtchen im Osten sich die wohlhabenden Bürger Wächter angestellt haben für ihren Besitz. Eines Abends ging ein Rabbi am Waldrand spazieren und traf so einen Wächter und fragte nach seiner Aufgabe. Der Wächter gab bereitwillig Auskunft und fragte dann seinerseits den Rabbi, worauf er denn achtet. Völlig überrascht stammelte der Rabbi nur „Noch auf niemanden“ und nach einer Weile fragte er den Wächter, ob der denn nicht für ihn, den Rabbi arbeiten wolle. „Das will ich gern,“ sagte der Wächter „aber was soll ich denn tun?“ „Mich erinnern!“

Ich denke, dass uns Geschichten und Bibelverse daran erinnern, worum es geht.

Es heißt ja immer, wir sollten Vertrauen haben, geduldig sein – ja das Gras wächst so schnell, wie es eben wächst. Aber das Wesentliche ist doch, was da eigentlich wächst.

Eltern kommen irgendwann an den Punkt, an dem sie die Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen und Haltungen ihrer Kinder realistisch einschätzen. Das wird manche sicher fast verzweifeln lassen oder sie vertrauen darauf, dass sie ihren Kindern doch etwas mitgegeben haben, was tiefer sitzt. Was Wurzeln geschlagen hat und vielleicht eine gewisse Zeit nicht gegen das Geröll des Alltags, der äußeren Einflüsse an- und durchkommt, aber trotzdem wächst und Frucht bringt.

Liebe Gemeinde, ich habe in den letzten Wochen viele Gespräche geführt: über den Zustand der Kirche nach der Mitgliedschaftuntersuchung und der Studie über sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche;

… mit verzweifelten Menschen die nach Corona, Krieg, Inflation und angesichts der tiefen Spaltung in der Gesellschaft nicht nur depressive Gedanken äußern.

Und es fällt mir da nicht leicht, gute Botschaft zu verbreiten, zu trösten, zu ermuntern.

Deshalb bin ich heute wirklich dankbar für Gottes Wort:

Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.
28
Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Gott sagt:
Mein Wort ist dir ganz nah – in deinem Mund und in deinem Herzen.

Amen