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Predigt · Christvesper· Heilig Abend · 24. Dezember 2023 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Dez 25, 2023 in Predigten

Liebe Gemeinde,

wenn wir an Geburt und neugeborene Kinder denken und darüber reden, werden wir leise. Wir dimmen die Lautstärke und die Helligkeit und drehen die Heizung etwas wärmer. Schön warm und behaglich soll es sein, für das Neugeborene, das Schutzbedürftige, das so sehnsüchtig Erwartetete, das in Liebe herbeigesehnte, das wir mit unserer ganzen Liebe umhüllen wollen. Der Lärm und das blendende Licht soll draußen bleiben. Streit soll es nicht hören, Hunger und Kälte nicht kennen, Not und Verfolgung nicht leiden.

So soll es sein, so wollen wir es nicht nur, so brauchen wir es auch – und das Kind erst recht.

Wie das mit Jesus und seiner Geburt so war, mit dem Ort und dem Termin und den genauen Umständen, das ist nicht so ganz einfach zu beantworten. Aber selbst für extrem kritische Geister steht mittlerweile fest, dass es diesen Jesus gegeben hat. Und wenn es ihn gegeben hat, muss er ja schließlich auch irgendwie, irgendwo und irgendwann auf die Welt gekommen sein.

Darüber kann man sich herrlich den Kopf zerbrechen und dicke und manchmal auch ganz schön schlaue Bücher schreiben. Oder man fängt – ganz leise und vielleicht auch im Dunklen an, darüber nachzudenken, was diese Geburt Jesu eigentlich bedeuten soll. Und da meine ich jetzt nicht gleich ganz hochtheologisch: die Menschwerdung Gottes, Geburt des Messias, des Retters und Friedefürsten.

Sondern ganz langsam mal durchbuchstabieren, was da eigentlich steht.

Es wird erzählt von einer gewalttätigen Zeit, in der ein imperialer Herrscher einfach anweisen kann, dass sich all seine steuerpflichtigen Völker auf den Weg machen sollen, um sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Natürlich nicht nur, um einfach mal zu wissen, wie viele es denn eigentlich sind, sondern vor allem, um zu wissen, wie reich bin ich denn eigentlich, bezahlen denn auch alle die Steuern, die ich ihnen abpresse, denn ich will ja weiter meine Legionen ausrüsten und mit ihnen Kriege führen und neue Paläste für mich, meine Familie und all die Handlanger und Speichellecker, die Jahr für Jahr mehr werden, die ich aber brauche, um meine Macht zu sichern, die wollen ja auch gekauft (ähm) versorgt werden.

Liebe Gemeinde,

die Geschichte erzählt von den Mächtigen dieser Welt, vom Kaiser und seinem Statthalter Herodes und sie erzählt auch von der Angst dieses Statthalters, von der Angst vor einem Kind. Ein Kind, das er versucht, mit Hilfe der Sterndeuter aus dem Morgenland zu finden, das er versucht zu töten.

Im Krippenspiel von Adolf Dresen, das hier in Alt Pankow eine lange Tradition hat, heißt es, dass es nichts Gefährlicheres gibt als Kinder – denn sie werden ja auch mal groß

Und die Engel rufen der Gemeinde im Krippenspiel zu: Nehmt es in acht, ihr alle, und helft ihm, nehmt es sehr in acht!

Die Kinder, unsere Kinder – die groß werden und DAS Kind – das wir alle in Acht nehmen, ihm folgen und hören sollen.

Wir Erwachsenen würden wohl alle, ohne zu zögern, zustimmen, dass unsere Kinder die Zukunft sind, dass wir sie – so gut wir es eben vermögen – behüten, begleiten und aufs Leben vorbereiten wollen. Und wir sind da sehr bemüht und einfallsreich. Und tun alles mit besten Absichten.

Und stellen doch fest, dass manches, was wir tun und allzu oft gerade auch das, was wir unterlassen zu Ergebnissen führt, die wir so doch eigentlich gar nicht wollen.

Ja unsere Kinder werden groß und das ist nicht nur für Herodes etwas „Gefährliches“.

In welcher Welt werden sie leben? Und welchen Anteil haben wir Erwachsenen am Zustand dieser Welt?

Allbekannt ist, dass wir ungebremst und munter dabei sind diese Welt in nie gekannten Maß zu verändern und auch zu zerstören – Klimakonferenzen hin und Artenschutzkonferenzen her, von der nicht nur direkt lebenszerstörenden Kraft der Kriege, die auch uns inzwischen nicht nur gefährlich nahekommen, sondern schon ganz direkt unser aller Leben trifft, ganz zu schweigen. Zumal bei jeder Klimakonferenz geflissentlich vollständig ignoriert wird, dass Rüstung, Militarisierung der Welt und Kriege einen wesentlichen Anteil auch an der Umweltzerstörung haben.

Haben wir eigentlich auf dem Schirm, dass unser Reden in einer immer schriller werdenden militanten Sprache, das Gerede von der Angst vor Kriegsmüdigkeit oder der Verteidigung deutscher Interessen – inzwischen nicht mehr am Hindukusch, sondern in Mali, in der Ukraine, im Roten Meer – uns und unsere Kinder geradewegs in die kriegerischen Auseinandersetzungen führt, die wir doch eigentlich verhüten sollten und wollten?

In einer Zeitung habe ich gelesen, wie erstaunlich es doch ist, dass wir Menschen ziemlich konsequent auf die Erderwärmung mit sozialer Kälte reagieren. Oder was ist es denn, dass uns Schulden in bisher nie gekannter Höhe machen lässt – wir nennen das ja inzwischen Sondervermögen – für Rüstung und kroiegsfähig Machen eines LAndes, das sich doch einmal dem „NIE WIEDER“ verpflichtet wusste. Wo sind die Sondervermögen für bezahlbare Wohnungen, für das Bildungswesen, die Gesundheitsversorgung und die geradezu explodierende Zahl der Menschen, die am vermeintlichen Reichtunm diese so reichen Landes inzwischen kaum noch teilhaben?

Wie ist es dann also um die gerechte Verteilung der Reichtümer dieser Welt und wie ist es um Freiheit des Einzelnen in dieser Welt und den Schutz dieser Freiheitsrechte bestellt?

Um die Meinungsfreiheit und die Freiheit, das persönliche Leben selbstverantwortlich zu gestalten, solange ich nicht die Freiheit anderer Menschen einschränke?

Mit welchen Traditionen und Wertevorstellungen versuchen wir unsere Kinder aufwachsen zu lassen und welche prägen sie darüber hinaus?

Da sind wir – und ich behaupte, nicht nur weil wir in der Kirche sind – bei DEM Kind, dem wir helfen, das wir in Acht nehmen sollen.

Wir sollen auf die Stimme dieses Kindes hören und das, was der dann erwachsene Mann Jesus gesagt hat.:

Alle Menschen sind gleich, denn wir alle sind Gottes Kinder.

Und: das Recht wird triumphieren, Recht wird Gerechtigkeit bringen für jeden Menschen.

Nicht das Recht derer die meinen das Rad der Geschichte zu drehen und die Menschenrechte nach ihren Interessen biegen und verbiegen, die uns erklären wollen, dass Menschenrechte nur in Geltung sind, wenn sie ihren Interessen dienen. Die Freiheit rufen und Bodenschätze meinen, von Werten reden und dabei so neokolonial und herrenmenschlich daher kommen, dass sich die angesprochenen Länder inzwischen in immer größerer Zahl abwenden. Nur vom Frieden reden wir kaum noch und wenn, dann vor allem, wenn wir auf den identifizierten Gegner zeigen und laut rufen, dass der ja gar keinen Frieden will.

Die Rechte der Menschen gelten universell oder gar nicht, ob ich arm oder reich bin, in Kiew oder Moskau, Berlin oder Teheran, Tel Aviv oder Gaza lebe, sie gelten in den Kriegen im Jemen, Irak und Syrien, im Gazastreifen und Westjordanland genauso wie in der Ukraine. Auch wenn uns das nicht gefällt oder wir so gerne mit verschiedenem Maß messen und mit geradezu phantastischen Argumentationslinien die schlimmen Verbrechen unserer als solche identifizierten Gegner brandmarken und die unserer vermeintlichen Freunde entschuldigen.

Jesus tat das nicht. Für ihn ist jeder Mensch Gottes Kind und als solches wertvoll!  Er veränderte diese Welt  – nicht mit Freunden an den Höfen der Mächtigen dieser Welt, sondern mit den Armen und Verachteten.

Ihnen kam er entgegen und er begegnete ihnen freundlich.

Mögen diese noch so naiv und unbedarft gewesen sein.

Mögen die Menschen, die von Frieden und Gerechtigkeit, von einer fairen Verteilung der Reichtümer aber auch der Lasten dieser Welt träumen, ausgelacht und an den Rand gedrängt werden. Sie werden diese Welt letztlich verändern.

Und das kleine Kind in der Krippe wird in ihren Herzen und an seiner Seite sein.

Martin Luther King schreibt über diese Menschen, zu denen er sich auch zählt „In unserer Arroganz, Gesetzlosigkeit und Undankbarkeit werden wir für menschliche Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, sicheren Frieden und Fülle für andere kämpfen. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben – im Geist unerschütterlicher Gewaltlosigkeit -, dann, in leuchtendem Glanz, wird die christliche Ära wahrlich beginnen.“

Lasst uns das Kind bewahren, lasst unter uns seine Liebe lebendig bleiben und lasst uns daran festhalten, dass eine Welt ohne Krieg der beste Weg zum Frieden ist.

Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

EUCH ist HEUTE der Heiland geboren!

EUCH – UNS – DIR und mir

Zur Freude und Hoffnung

Uns zu Gute

Hört der Engel helle Lieder!

Amen