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Predigt · 20. Sonntag nach Trinitatis · 22. Oktober 2023 · Pfarrer Michael Hufen

Posted on Okt 28, 2023 in Predigten

Liebe Gemeinde,

fangen wir heute mal mit einer herbstlich, stürmischen Naturbetrachtung an.

Die hat einen ganz aktuellen Anlass, passt aber auch zu meiner letzten Traupredigt hier in der Kirche und damit auch zum heutigen Predigttext, den wir gerade als Lesung aus dem Evangelium des Markus gehört haben.

Bis gestern in die frühen Morgenstunden tobte über der Ostsee ein Sturm. Nicht ein x-beliebiger Herbststurm, sondern wohl einer der heftigsten der letzten Jahrzehnte. Das Hochwasser an den Küsten der westlichen Ostsee erreichte Höhen von über 1,50m über Normalstand. Strände und Küstenstraßen wurden überschwemmt, ja teilweise auch Wohngebiete in Küstennähe. Die Menschen haben sich in den Häusern verkrochen, weil es eben nicht nur sehr nass, sondern der Sturm tatsächlich lebensgefährlich war. Seit gestern ist man in den betroffenen Regionen nun mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Seenotretter hatten viele Einsätze und hoffentlich sind alle Schiffe, die in stürmischer See unterwegs waren, sicher in einem Hafen eingelaufen.

Wenn die See tobt, weder Sonne, Mond und Sterne zu sehen sind, braucht man Orientierungspunkte, um zu wissen, wohin die Reise gehen soll und wo Gefahrenstellen lauern.

Dazu hat man seit Anbeginn der Seefahrt Leuchtfeuer an den Küsten installiert.

Wir haben alle Bilder vor Augen, je nach Vorliebe sind das eher die Leuchttürme an der Nord- oder Ostsee. Westerhever oder Dornbusch.

Am Tage, bei schönem Wetter verhelfen Leuchttürme als lohnendes Ziel zu Ausflügen und manchen Eltern zu sinnvoller Beschäftigung der lieben Kleinen.

Leuchttürme steigern Urlaubsfreuden. Es ist wirklich spannend übers Meer zu schauen und zu sehen, wie etwa nachts dort das Feuer eines Turms in Weiß, dort in Grün aufblitzt und wieder verlöscht, je nach der Kennung des betreffenden Turms. Wer sich auskennt oder eine Seekarte zur Hand hat, weiß genau, dort ist die Greifswalder Oie, dort ist Thiessow auf Rügen.

Gebaut sind Leuchttürme aber nicht für die Tourismusindustrie, sondern als Helfer für die Seefahrt. Sie weisen Schiffen den Weg sicher zum Hafen. Das tun sie bei Sonnenschein und bei Regen, bei Tag und Nacht und bei Sturm, wenn die See kocht.

In meiner letzten Traupredigt habe ich die Hochzeit mit einem Leuchtturm verglichen

Eine Hochzeitsfeier gleicht so einem Leuchtturm. Sie ist eine Reise wert. Sie lässt gute Laune aufkommen. Sie verlangt Vorbereitung, nicht alltägliche Vorbereitungen. Auf einen Leuchtturm steigt man nicht täglich, besonders nicht als Bewohner im Binnenland. Aber auch Küstenbewohner klettern nicht täglich hinauf.

Ein Hochzeitstag ist wie ein Leuchtturm. Beide, dieser Tag und dieses Bauwerk, wollen den Weg weisen. Die standesamtliche Eheschließung kann mit einem Hafen verglichen werden. Zwei laufen in den Hafen ein. Dort steigen sie auf ein größeres Schiff um. Dieses muss wie jedes Schiff hinaus auf die See. Das ist sein Leben. Dafür ist es gebaut. Also laufen die beiden mit ihrem Schiff aus. Hier draußen, wo Wind und Wellen regieren, das Schiff von dem Wasser getragen, vom Wind in seinem Lauf bestimmt wird, gewinnt der Leuchtturm seine Bedeutung. Er weist den Weg. Er zeigt das sichere Fahrwasser. Er ist willkommen bei Sonnenschein und bei Nacht. Er ist eine Hilfe, kann zum Lebensretter bei Sturm und Dunkelheit werden. Sein Licht leuchtet weit hinaus auf die See. Dieses Licht ist noch zu sehen, wenn längst alle anderen Lichter an Land nicht mehr zu erkennen sind.

Das Licht des Leuchtturms, seine ´Kennung´, wie der Rhythmus des Aufleuchten und Verlöschens seines Lichts in der Sprache der Seefahrer heißt, prägt ihn, läßt ihn unverwechselbar werden. Die Kennung des Leuchtturms Hochzeitstag in der Kirche ist der Trauspruch und der Predigttext.

Am heutigen Sonntag sind wir bildlich gesprochen schon mit dem Boot hinausgefahren und in schwere See geraten.

Die Kennung des heutigen Sonntags ist der Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Micha: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“ und der Predigttext aus dem Markusevangelium sagt: „Und Pharisäer traten hinzu und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau zu scheiden, und versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Anfang der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“

Wenn wir nun unser Wissen über das uns von Gott Gesagte, über das, was gut ist und unsere eigenen Erfahrungen, das tatsächliche Leben nebeneinander-legen, werden wir eine ziemliche Differenz feststellen. Beim Seniorenfrühstück am Mittwoch war es die Frage, warum sich heute so viele Paare scheiden lassen und die eigene Erfahrung: „Auch bei uns war es manchmal schwierig, da haben wir drüber gesprochen. Aber Scheidung kam nicht in Frage.“ Mein alter Professor Wolf Krötke hat in der Ethik-Vorlesung über die Scheidung gesagt: wenn das Zusammenbleiben ein größeres Schuldigwerden an der Liebe bedeutet als die Trennung, dann ….

Liebe Gemeinde,

Gebote und Gesetze sind Schutzbestimmungen im Interesse aller Menschen, gerade der Schwachen, die sonst der Willkür der Starken schutzlos ausgeliefert wären, ja viele unserer sogenannten staatlich garantierten Grundrechte sind sogar ausdrücklich als Schutzrechte des Bürgers vor dem übergriffigen Staat gemeint.

Es sind jeweils Gebote, die die Gemeinschaft der Menschen sichern und stärken sollen, nach innen und außen.

Und sie sollen den Menschen auch den Raum eröffnen, in dem sie bei sich sein können und sich so ihrer Gottesbeziehung widmen, ja sich ihrer klar werden können.

Deshalb steht, um bei dem von Jesus besonders benannten Gebot – du sollst nicht Ehebrechen – zu bleiben, die Ehe unter dem besonderen Schutz Gottes. Es eröffnet uns einen Raum, in dem wir frei sein können, ohne dass dieser Raum zum Gefängnis wird. Es eröffnet uns Rückzugsräume von den Mühen und den Herausforderungen des Alltags, in denen wir aber, so wie es Jesus lehrt, die Liebe zu uns und zu unseren Mitmenschen leben können.

So wie er es als höchstes Gebot zusammengefasst hat: wir sollen Gott unseren Herren leben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all unserer Kraft und unseren Nächsten wir uns selbst.

Auch im Wochenspruch wird deutlich erklärt, was der Mensch denn da weiß,

was gut ist:

nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

Liebe üben.

Liebe, die Kraft aus der heraus es überhaupt möglich ist, die Gebote Gottes zu halten.

Wer an sich selbst schon gespürt hat, mit welcher Kraft die Liebe das eigene Leben auf den Kopf zu stellen vermag, das eigene Denken und die eigenen Planungen neu auszurichten, der hat eine Ahnung davon, welche Kraft die Liebe hat.

Und ich denke, wenn wir darüber nachdenken, kommen wir unweigerlich darauf, dass Liebe so und noch viel mehr ist, weil der Ursprung der Liebe, ja der Ursprung unseres Lebens bei Gott ist.


In der Liebe liegt Macht. In der Liebe liegt die Kraft zu helfen und zu heilen, wenn nichts anderes mehr hilft. Die Liebe hat die Macht, aufzurichten und zu befreien, wenn nichts anderes es vermag. In der Liebe liegt die Kraft, uns den Weg zum Leben zu zeigen.

Im Leben aus der Liebe liegt dann die Erfüllung aller Gebote, ja die einzige Kraft, das tatsächlich zu schaffen.

Lassen wir uns dies wie ein Leuchtfeuer in stürmischen Zeiten immer wieder gesagt sein. Ob unser Lebensboot den sicheren Hafen der Ehe verlässt oder das Weltgeschehen wie ein Orkan über alle unsere Sicherheiten hinwegfegt.

Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist.

Amen