Predigt · 5. Sonntag nach Trinitatis · 9. Juli 2023 · Pfarrer Michael Hufen
Liebe Gemeinde
„Komm gut wieder“ oder „gute Reise“ sind liebevolle Abschiedsworte, die heute noch entfernt an einen Reisesegen erinnern.
Mein Großvater sagte immer „Ade“ – zu Gott – adieu
In Bayern verabschiedet man sich noch heute mit „Pfiati“ – behüt dich / sei behütet
Vor vielen Jahren habe ich bei einem Freund Ferien gemacht und sein Vater, ein Pfarrer, ging immer mit allen Gästen bis zum Auto, um ein kurzes Gebet und einen Reisesegen zu sprechen. Es war für ihn mehr als eine Angewohnheit. Er machte es aus der tiefen Überzeugung heraus, dass wir bei Reisen ganz besonders auf Schutz und Begleitung angewiesen sind.
Gottes Segen zusprechen, Menschen segnen. Jeden Sonntag am Ende des Gottesdienstes, bei Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und ja auch bei Beerdigungen – also bei den sogenannten Lebenswenden, den Menschen zuzusprechen, dass Gott uns begleitete.
Im Lateinischen heißt „segnen“ „benedicere“ – „Gutes sagen“ – Gott sagt uns für unsere Wege Gutes zu.
An diesen Lebenswenden und auch vor großen Reisen tut diese Zusage gut. Nun heißt es nicht, dass auf unseren Wegen alles gut gehen wird. Das wissen wir alle nur zu gut. Es heißt aber, dass Gott mit uns unterwegs ist, an unserer Seite ist, was auch passiert
Seine Wurzeln hat der Reisesegen in den uralten Geschichten des Alten Testaments der Bibel. Sie erzählen von Nomadenfamilien, die auf der Suche nach fruchtbarem Land unterwegs waren. Wir haben es gerade in der Lesung aus dem 1.Buch Mose gehört:
Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.
So verlassen Sara und Abraham ihre Heimat und ziehen los, ohne das Ziel zu kennen. Und Gottes Segen sagt ihnen beides zu: Selbst behütet zu sein. Und auf dem Weg gut für andere zu sein.
Und auch unser heutiger Text aus dem Evangelium nach Lukas bedeutet eigentlich nichts anders: „Fahrt hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“.
Macht euch auf den Weg! Vertraut mir, auch wenn es euch eigentlich erst einmal nicht einleuchtet, wenn die Herausforderung zu groß und vielleicht auch das Wagnis zu groß ist. Vertraut euch meiner Führung an – so sagt es Jesus zu den Jüngern – und ihr werdet das Zeil erreichen, auch wenn euere menschliche Erfahrung erst einmal dagegen zu stehen scheint.
Liebe Gemeinde,
Koffer packen das wird für alle, die demnächst verreisen, eine gewisse Herausforderung sein. Für manche ist es ganz leicht, sie sind häufiges Reisen gewohnt und wissen schnell und sicher, was mitzunehmen ist. Koffer packen ist fast eine Nebenbeschäftigung.
Für andere ist es das Lästigste am ganzen Urlaub.
Bei jedem Teil ist die Entscheidung erforderlich: muss es mitgenommen werden oder nicht. Kleidung für kalte Tage und für warme Tage, bequeme Freizeitkleidung und etwas Schickes für das Lokal, Schuhe für jeden Zweck usw. und alles für die ganze Familie. In Gedanken muss der Urlaub mit den Unwägbarkeiten durchdacht werden, denn es ist unangenehm, wenn das erforderliche Teil nicht dabei ist.
Koffer Packen erfordert die Entscheidung: was kann selbstverständlich zu Hause bleiben, worauf wird für die nächste Zeit, wenn auch schweren Herzens – bewusst verzichtet, was wird vorsorglich eingepackt, obwohl es vermutlich nicht gebraucht wird. Besonders schwierig ist es dann, wenn man mit Kindern verreist und nicht all-inclusive an einen wettermäßig stabilen Ort fährt, oder sich gar aufmacht mit dem Fahrrad oder nur mit dem Rucksack von Ort zu Ort unterwegs zu sein.
Mitnehmen, zurücklassen das umfasst mehr als nur die Kleidung. Das vertraute Zuhause mit seinen alltäglichen Gewohnheiten, seinem alltäglichen Rhythmus wird für eine Zeitlang verlassen. Der Schlüssel muss noch abgegeben, die Haustiere und die Blumen versorgt werden.
Wer sich auf den Weg macht, ist auf Gastfreundschaft angewiesen. Wer sein Zuhause verlässt, weiß, dass er eine andere Herberge braucht, ein Dach über dem Kopf, ein Bett. Ruhe finden, schlafen, sich fallen lassen in einem fremden Bett manche haben in den ersten Tagen Schwierigkeiten damit, bis sie sich eingewöhnt haben. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wieviel Vertrauen dazu nötig ist.
So widersprüchlich es klingt, es gehört sicher beides zusammen: die Vorfreude auf das Neue, Ungewohnte während des Urlaubs und dann wieder die Freude auf die Rückkehr ins Vertraute.
Koffer packen das gibt es auch in anderen Situationen, die nicht immer so erfreulich sind wie der Urlaub, wo nach einiger Zeit die Rückkehr ins Gewohnte erfolgt. Koffer packen steht stellvertretend für andere Aufbruchssituationen, wo es manchmal kein Zurück gibt.
Menschen, die nach dem Krieg auf der Flucht waren, erzählen: Mit nur einem Koffer in der Hand bin ich damals angekommen. Darin hatte ich all meine Habseligkeiten. Vieles hatte ich
eingepackt, aber bis auf das wenige habe ich alles verloren.
Junge Leute Packen irgendwann ihre Koffer und ziehen aus dem Elternhaus aus. Außer den sichtbaren Spielsachen auf dem Boden oder im Keller bleibt ihre Kinderzeit zurück, mit all den gemischten Gefühlen, die für Eltern und Jugendliche damit verbunden sind.
Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten, da habe ich meine Koffer gepackt und bin ausgezogen, sagt die Frau, die ihren Mann verlassen hat, weil die Ehe längst nicht mehr so war, wie sie begonnen hatte.
Nicht speziell vom Urlaub, wohl aber von Reisen, vom Aufbruch aus vertrauter Umgebung in neues Land und vom Gast sein, erzählt die Bibel häufig.
Abraham, Isaak und Jakob sind immer unterwegs. Das Volk Israel macht sich von den „Fleischtöpfen Ägyptens“, wie es schon kurz nach dem Aufbruch in Verklärung der Realität im eigentlichen „Sklavenhaus“ heißt, auf, um in einen „Land darin Milch und Honig fließen“ zu gelangen. Vor ihnen liegen 40 Jahre Wüstenwanderung und dann wahrlich kein Land, dass sie mit offenen Armen empfängt und in dem das Leben sorgenfrei und unbeschwert ist.
Aufbrechen, wenn man es nicht mehr aushält, einer Zusage vertrauend und dann doch erst einmal Wüstenwanderung, unerwartete Schwierigkeiten. War es richtig?
Der Geschmack von neu gewonnener Freiheit stellt sich nicht gleich ein.
Manchmal wird sogar der Urlaub ein wenig so empfunden. Nur langsam fällt der Alltag von einem ab, löst sich der Blick vom Zurückgelassenen und weitet sich für die neue Freiheit. Die Arbeit hält noch fest, die letzten Erinnerungen an die Schule sind noch zu frisch und so richtige Urlaubsstimmung stellt sich im Stau oder beim Warten auf den verspäteten Zug oder Flieger nicht ein.
Wenn Sie Ihre Koffer packen, in welcher Situation auch immer, wünsche ich Ihnen, dass Sie es mit Vorfreude tun.
Für den Urlaub packen Sie das Buch mit ein, das Sie schon immer mal lesen wollten. Wenn Sie es nicht schaffen, sehen Sie es gelassen.
Lassen Sie den Terminkalender getrost zu Hause. Und aus eigener Erfahrung der vergangenen Woche an der Ostsee – auch den Rechner mit dem dienstlichen Mail-Account – da kommt nicht viel Gutes bei raus.
Ein Spiel mitzunehmen, wäre sicher gut, denn beim Spielen kann man etwas mit anderen machen, sinn- und zweckfrei, einfach um der Freude willen.
Genießen Sie es, zu verreisen und viele neue Eindrücke zu sammeln. Gönnen Sie sich Muße, das ist wichtiger als das Freizeitprogramm zu absolvieren. Und lassen Sie sich Zeit, wenn das möglich ist, bei allem, was sie in der Urlaubszeit tun.
Und lassen Sie Platz in Ihrem Koffer für das, was Sie vielleicht mitbringen möchten, ein Andenken, das die Erinnerungen lebendig hält.
Nehmen Sie viele gute Segenswünsche mit auf Ihre Reise und
bis wir uns wiedersehen, halte Gott einen jeden von uns im Frieden seiner Hand.
Amen.