Predigt · 12. Sonntag n. Trinitatis · 4. September 2022 · Pfarrerin i.R. Ruth Misselwitz
Apostelgeschichte 9, 1 – 20
Liebe Schwestern und Brüder,
wir hörten vorhin die Geschichte von der Bekehrung des Apostel Paulus, wie sie uns der Evangelist Lukas erzählt hat.
Da wandelt sich der Saulus zum Paulus.
Der fanatische Christenverfolger wird zum wichtigsten Verkünder des Evangelums Jesu
und Gründer vieler christlicher Gemeinden im römischen Reich.
Nicht wenige Theologen und Historiker sind der Meinung,
dass sich ohne den Apostel Paulus die christliche Botschaft nicht über den jüdischen Raum hinaus verbreitet hätte
und es keine christliche Kirche geben würde.
Paulus war es, der die jüdische Religion geöffnet hat
in die römische und griechische Kultur,
der die Freiheit erfuhr, aus der engen Gesetzmäßigkeit der eigenen Volksgemeinschaft auszubrechen
und die Botchaft Jesu an alle Völker weiter zu geben.
Paulus erfuhr in einem Schlüsselerlebnis,
die wir die Bekehrungsgeschichte nennen,
den befreienden und liebenden Gott Israels,
der sich ihm in dem auferstandenen Christus offenbarte.
und er war davon überzeugt, dass die Prophezeiungen der alten Propheten von der Universalität des Gottes Israels für die ganze Welt sich in diesem Mann aus Nazareth, dem auferstandenen Christus,
erüllt haben.
In ihm erkannte er die Erlösung der Menschheit und der Welt
von der Sünde – vom Bösen, von der Zerstörung, der Gewalt und der Gottesferne.
In ihm erfuhr er die bedingslose Liebe, die Annahme und Akzeptanz, die Vergebung und Versöhnung –
den einzig wahren Weg zum Frieden, zur Gerechtigkeit und zur Einheit mit Gott.
Paulus ist überzeugt davon,
dass die Welt und die Menschen zum Frieden kämen,
wenn sich alle Völker diesem liebenden Gott,
der sich als Mensch in Jesus gezeigt hat,
anvertrauen würden.
Paulus reist mit dieser Botschaft alle Mauern und Grenzen ein, nationale, soziale, religiöse und geschlechtliche.
„Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.“ (Gal. 3,28)
so schreibt er es in seinem Brief an die Galater.
Aber bevor er so weit ist, muss ihn Gott erst niederwerfen.
„Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen , damit er Anhänger des neuen Weges , Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe.“
Paulus war ein überzeugter und frommer Gottesmann.
Er kannte die Heilige Schrift – das Gesetz und die Propheten –
und er wußte, was mit diesen irregeleiteten „Anhängern des neuen Weges“, diesen Jesusverehrern zu tun ist –
mundtot machen und beseitigen,
denn sie gefährdeten den Zusammnhalt der Religionsgemeinschaft, sie rüttelten an den mühsam aufgerichteten Grundpfeilern der religiösen und gesellschaftlichen Ordnung,
sie predigten vom Beginn des Reiches Gottes,
das sich in dem armseligen Wanderprediger aus Nazareth verwirklicht haben soll,
sie predigten von Liebe, Gewaltlosigkeit, Barmherzigkeit und sogar von Feindesliebe.
Nein, für Paulus waren sie eine religiöse und nationale Gefahr,
die man schnellstmöglich beseitigen musste.
Und mitten in seinem Wüten und Schnauben trifft ihn der Schlag –
nicht mit der Faust oder dem Kolben,
nein – mit einem himmlischen Lichtstrahl.
Und er verliert den Boden unter den Füßen,
alles, was ihm vorher Halt gegeben hat, bricht weg.
Und er hört eine Stimme: Saul, warum verfolgst du mich?
Und er fragt: Herr, wer bist du?
Die Antwort: Ich bin Jesus, den du verfolgst.
Es kommt kein schrecklicher Blitz, der seinen Schädel zertrümmert,
kein Donner, der ihm das Blut in den Adern gerinnen lässt,
kein zorniger Fluch, der ihn vernichten will –
nein –
er hört die Stimme: Steh auf und geh in die Stadt,
da wird man dir sagen, was du tun sollst.
Das wirft Paulus aus der Bahn,
sein ganzes Weltgebäude stürzt zusammen,
da redet der, den er vernichten will,
zu ihm wie zu einem Freund.
So schnell kann er nicht begreifen, was da mit ihm geschieht.
Als er aufsteht ist er blind.
Unfähig, sich zu orientieren ist er auf die Hilfe seiner Begleiter angewiesen, die ihn nach Damaksus führen.
Drei Tage kehrt er in sich, ißt und trinkt nichts,
ist blind für die Dinge der Welt
und wird sehend für die Wahrheit, die Gott ihm offenbart.
Als er bereit ist, kommt Hannanias und legt ihm die Hände auf
und es fällt ihm wie Schuppen von den Augen.
Saulus sieht nun die Welt mit ganz neuen Augen,
nichts ist mehr so wie vorher –
aus dem Christenverfolger Saulus ist nun das auserwählte Werkzeug Paulus geworden,
der den Namen des Auferstandenen vor alle Völker, vor Könige und vor das Volk Israel tragen soll.
Das Misstrauen der Mitglieder der jungen christlichen Gemeinde ist verständlicherweise hoch.
Sie trauen ihm nicht über den Weg.
Soll aus diesem fanatischen Gegner ein Freund geworden sein?
Ja, sagt die Stimme Gottes: vertraut mir und vertraut diesem Menschen, ich habe ihn erwählt.
Der Apostel Paulus wird in den darauffolgenden Jahren seiner fleißigen Missionstätigkeit so manche Freundschaften aber auch heftige Feindschaften erleben.
Von seinen eigenen Landsleuten wird er als Verräter verfolgt,
von so manchen aus den heidenchristlichen Gemeinschaften wird er als Vertreter der konservativen jüdischen Seite beäugt.
Paulus steht zwischen den Stühlen und ist Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Welten.
Er ist ein Pacifist – ein Friedensmacher,
ein Verkünder der Versöhnung der Menschen mit Gott
und der Versöhnung von Feinden zu Freunden,
das hat er am eigenen Leib erfahren.
Dafür musste er viel Leid und Entbehrung ertragen,
dafür aber hat er auch unentlich viel Glück, Freundschaft, Liebe und Freude erfahren.
Liebe Schwestern und Brüder,
unendlich viele Menschen sind davor und danach in den Spuren solcher Gottesmänner und Gottesfrauen gewandert.
Gott selbst sorgt dafür, dass das Werk seiner Versöhnung
in dieser unversöhnten Welt lebendig bleibt.
Ich könnte jetzt eine Reihe von berühmten Männern und Frauen aufzählen, die erst Gott verhöhnten
und dann von ihm überwältigt und zu Pacifisten wurden,
aber ich möchte nicht weit abschweifen,
sondern hier in unserer Kirche beiben.
Da verabschieden wir drei junge Menschen, die ihren Freiwilligendienst bei Aktion Sühnezeichen, Friedensdienste absolvieren,
einem Verein, der sich in die Verantwortung nehmen lässt für die deutsche Schuld an Millionen von Menschen im 3. Reich,
an Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen und den unzähligen Kriegsopfern in slawischen und anderen Ländern.
Die Jugendlichen werden in Projekten arbeiten, die daran erinnern und Wege der Versöhnung weisen.
Es ist eine segensreiche Arbeit, die die Geschichte genau betrachtet, dadurch die Gegenwart besser versteht
und Wege in die Zukunft weist.
Dass Kriegs- und Gewalterfahrungen sich über mehrere Generationen weitertragen, ist inzwischen bekannt,
sie beinflussen über Generationen hinweg die Beziehungen zwischen Völkern und Menschen.
ASFe.V. arbeitet nun seit über 60 Jahren an dem Werk der Versöhnung und unzählighe junge und alte Menschen haben dadurch Neuorientierung und Freundschaft erfahren.
Segne Gott diese Arbeit,
so auch jede Bemühung und Anstrengung in dieser Gemeinde
und auf der Welt
zur Überwindung von Feindschaft in Freundschaft,
von Gewalt zum Frieden.
Amen.