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Predigt · Heiligabend · 24. Dezember 2019 · Pfarrerin i.R. Ruth Misselwitz und Uta Brux

Posted on Dez. 27, 2019 in Predigten

Lukas 2,12

Uta Brux
„Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln
gewickelt und in einer Krippe liegen.“

Liebe Gemeinde, so kurz und knapp umschreibt der Engel in der
Weihnachtsgeschichte, woran die Hirten den Messias erkennen
werden: Ein Kind, Windeln und eine Krippe.
Das sollen die Erkennungszeichen für den Messias, den Sohn Gottes,
den Erlöser der Welt sein? Das sind doch wirklich sehr dürftige
Zeichen.
Aber diese Knappheit, diese Dürftigkeit hat uns beim Nachdenken
über diesen Gottesdienst zum Heiligen Abend in Bann gezogen; und
wir haben uns entschlossen, dem Geheimnis dieser Dürftigkeit auf
die Spur zu kommen.
Was passiert hier eigentlich? Der Engel überrascht die Hirten mitten
in der Nacht bei der Arbeit auf dem Feld. Manche haben sich schon
zu einem Nickerchen hingelegt, während die Anderen Wache bei den
Schafen halten. Da schickt der Engel sie zu dem neugeborenen Kind.
Und damit das Unternehmen gelingt, bekommen die Hirten vom
Engel noch Zeichen genannt, an denen sie das neugeborene Jesuskind
erkennen werden.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in der Weihnachtsgeschichte
alle, die sich auf den Weg zum neugeborenen Kind machen oder die
sich fragen, wo der Messias geboren ist, ein anderes
Erkennungszeichen bekommen?
Die Weisen aus dem Morgenland, die sich mit dem Sterndeuten
auskennen, haben einen Stern gesehen und folgen ihm bis nach
Bethlehem. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten haben in ihren
alten Schriften gelesen, dass der kommende Fürst in Bethlehem
geboren wird. Und das Erkennungszeichen für die Hirten und
Hirtinnen ist die Futterkrippe. So erreicht die Botschaft vom Messias
jeden in seinem eigenen Alltag und mit Zeichen, die er oder sie
versteht.
Der Evangelist Lukas konzentriert sich nun voll und ganz auf die
Hirten. Sie werden zu Schlüsselfiguren für die Veränderung. Die
Hirten sind Menschen wie Du und ich. Sie wollen wieder einen
Grund zur Hoffnung haben und sehnen sich nach Gerechtigkeit und
Frieden im Land. Sie gehen auf die Straße und in die Dörfer, und
sagen die Botschaft vom neugeborenen Messias weiter. Die Hirten
sind es, die die Hoffnung auf einen Neubeginn in die Welt tragen und
der Veränderung den Weg bereiten.


Ruth Misselwitz
„Mit jedem Neugeborenen beginnt eine neue Zukunft“ – hörte ich
kürzlich eine syrische Frau sagen, die den Trümmern ihrer
Heimatstadt entkommen ist.
Gott wird Mensch – er entschließt sich, als hilfloses,
schutzbedürftiges und verletzliches Neugeborenes die Welt zu
besuchen. Er macht sich klein, vergisst seine Sprache und erlernt die
Sprache der Menschen, ihre Gefühle und ihre Empfindungen.
Und er begibt sich ausgerechnet in die Obhut und Fürsorge einer
jungen Frau und eines jungen Mannes, die keine Erfahrung mit
Schwangerschaft, Erziehung oder Familiengründung haben. Die
weder ein ordentliches Kinderbett noch einen gültigen Trauschein
haben.
Und das Wunder geschieht – sie nehmen das Kind freudig an.
Gott begibt sich in Beziehung zu den Menschen, er erfährt Liebe und
Fürsorge, ohne die er in dieser Welt nicht überleben könnte.
Und er wird in Windeln gewickelt. Nein – er liegt nicht nackt in der Futterkrippe, er ist geschützt und
gewärmt von den Windeln, die ihm die Eltern umgelegt haben.
Die äußerlichen Umstände, die Armut der Eltern, die Wirrnisse und
Gefahren dieser Zeit, die ungewisse Zukunft seines Volkes –
das ganze Drum und Dran seines Eintritts in die Welt spielen für Gott
keine Rolle – das einzig wichtige ist, dass er angenommen wird.
Das Zeichen, an dem die Hirten den Messias erkennen sollen, ist ein
Kind, das in Windeln gewickelt ist.
Und die Botschaft Gottes an uns, an die Welt ist:
Mit jedem Neugeborenen besucht Gott unsere Welt – mit jedem
Neugeborenen gibt er der Welt eine neue Chance.
Jedes Kind hat seinen Ursprung in Gott – wenn es zur Welt kommt,
ist es dem Gottesreich noch ganz nah, je älter es wird, gleicht es sich
dieser Welt an und wird von ihr geformt.
Als erwachsene Menschen stellen wir dann fest, wie stark wir geprägt
und unter Umständen auch verformt wurden und wie wir diese
Prägungen an unsere Kinder bewusst oder unbewusst weitergeben.
Das göttliche Licht aber erlischt nicht, es leuchtet in unserer Seele
und ruft uns immer wieder in die göttliche Kindschaft zurück.
Werdet wie die Kinder, sagt Jesus, dann steht euch das Himmelreich
offen.


Uta Brux
Die Geburt des Messias ereignet sich nicht irgendwo. Jesus kommt in
der Stadt Davids zur Welt, ganz nah bei den Hirten. Veränderung
beginnt auch nicht irgendwo. Sie beginnt hier, vor unserer Haustür.
Der Neuanfang, von dem die Weihnachtsgeschichte erzählt, ist eine
Revolution von unten. Nicht die oberen Schichten und die Politiker
sind diejenigen, die den Umbruch einläuten, nicht der König Herodes
und auch nicht die Schriftgelehrten.
Nein, die Veränderung beginnt beim Kind in der Krippe und bei den
Hirten.
Kürzlich haben in Madrid Klimaverhandlungen stattgefunden. Die
Mächtigen der Welt haben verhandelt ohne nennenswerte Ergebnisse.
Wissenschaftler und Klimaaktivisten wissen längst, wie das Klima
noch zu retten ist, aber der politische Wille fehlt.
Die Revolution kann nur von unten kommen. Schülerinnen und
Schüler und viele andere Menschen sind seit Monaten auf der Straße
und haben auch vor den Verhandlungsräumen in Madrid
demonstriert.
Sie, Menschen wie Du und ich, sind es, von denen die Umkehr
ausgehen wird. Dieses Vertrauen schenkt uns die Geschichte von der
Geburt des Messias unter dürftigen Umständen.


Ruth Misselwitz
„Mit jedem Neugeborenen beginnt eine neue Zukunft.“
Weihnachten ist das Fest des Neuanfangs – mitten in diese chaotische,
bedrohte Welt wird jeden Tag ein Kind geboren. Nicht nur eins –
unzählige, und in jedem Kind steckt die Chance des Neubeginns.
Achten wir auf unsere Kinder, dass wir ihnen unsere Verformungen
nicht weitergeben.
Und stehe Gott uns bei, dass wir dieses kindliche Vertrauen in Gottes
Mutterschaft wiederfinden, damit wir frei und offenherzig auf alle
unsere Geschwister zugehen können, die Furcht voreinander verlieren
und an einer Zukunft arbeiten, die uns die Engel angekündigt haben.
„Frieden auf Erden“ – das ist möglich. Gott schenkt uns jeden Tag neu
die Chance dafür.
Wir wünschen ihnen eine gesegnete Weihnacht.