Rede von Renate Wegener, »Café Abraham«
Iftar (Fastenbrechen) im Juni 2018 in der IZDB-Moschee
Salam Aleykum, lieber Dr. Khaled Al Seddiq, lieber Gemeindevorstand der IZDB Moschee, liebe Gäste!
Ich grüße Sie im Namen der Kirchengemeinde Alt-Pankow – im Namen unserer Initiative »Cafe Abraham«. Unsere Initiative wurde von Mitgliedern unserer beider Gemeinden, Ihrer Moschee und der Kirchgemeinde Alt-Pankow ins Leben gerufen. Sozusagen ein Dialog von unten, erst ohne theologische Begleitung, dann mit gelegentlichem Beistand. Erst in meiner Küche, dann in den Gemeinderäumen in der Breiten Straße. Seit anderthalb Jahren lesen wir gemeinsam im monatlichen Rhythmus Texte aus Koran und Bibel.
Daham, von Anfang an dabei, hat die Brücke zu Ihnen geschlagen, zu seiner Moschee. Wir waren im März das erste Mal bei Ihnen in der Drontheimer Straße zu Gast, Dr. Khaled Al Seddiq hat uns im April in Pankow besucht. Wir haben zusammen die Joseph-Sure gehört – die schönste aller Geschichten. Unvergesslich!
Wir haben uns sehr über die Einladung zum heutigen Iftar gefreut und bedanken uns sehr herzlich dafür. Rabia hat mich gebeten, ein paar Worte zum Motto des heutigen Abends zu sagen, über die Vielfalt. Über die Einheit. Über das, was uns verbindet.
Natürlich, und das ist offensichtlich: Uns verbindet die Nachbarschaft! Wir begegnen uns auf den Straßen in Berlin. Wir leben in derselben Stadt! Wenn die Pankower den nächsten Supermarkt mit türkisch/arabischen
Lebensmitteln suchen, dann fahren sie natürlich in die Brunnenstraße. Wenn sie Gegrilltes essen wollen, dann zum U-Bahnhof Pankstraße. Wir sehen uns im Sommer beim Picknick in den Berliner Parks. Unsere Kinder
besuchen dieselben Schulen… Wir leben im selben politischen Kontext! Wir stehen in der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder! Die Geschehnisse seit 2015 haben nicht nur einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs angestoßen, sie haben auch unser Leben verändert! Wir aus Pankow haben in den Neuberlinern gute Freunde gefunden.
Ihre Gemeinde hat durch den Zuzug der Geflüchteten viele neue Gemeindemitglieder bekommen. Sie haben Ihren Gebetsraum verdoppeln müssen und der Umbau ist tatsächlich rechtzeitig zum Ramadan fertig geworden. Respekt!
Über die theologischen Aspekte, die Einheit in der Vielfalt der Gottesbegriffe – darüber werden viele kluge Bücher geschrieben, Podiumsdiskussionen geführt. Der interreligiöse Dialog. Es gibt Vortragsreihen in der katholischen Akademie, das House of One. Die Initiative Schalom-Salam aus Neukölln, Gesprächskreise…
Letztes Wochenende fand in der Osterkirche ein gemeinsames Iftar statt. Wir sind Teil einer Bewegung. Ja natürlich, unsere Religionen sind aus einem lebendigen Dialog heraus entstanden. Öffnet man sich diesem Dialog, dann ändert sich der Blick auf den eigenen Glauben! Und der religiöse Hochmut weicht einem Staunen über das Miteinander-Wachsen auch im Spirituellen. Besonders wer in Berlin wohnt, der weiß, dass Religiösität, Frömmigkeit hier eine besondere Herausforderung sind. Es gibt einen enormen Säkularisierungsdruck. Wir evangelischen Christen antworten darauf, indem wir eine intellektuelle metaphysische Synthese
versuchen. Die Sehnsucht nach Spiritualität führt zu Antworten in den verschiedensten Formen: Musik, Kunst, Philosophie. Wer Navid Kermani gelesen hat, weiß, dass wir diesen Weg als Christen und Mus-lime auch gemeinsam gehen können. Diese Erfahrung macht neugierig, wie die Antwort auf die Moderne auch aussehen kann. Ich sehe, wie Ihre muslimische Glaubensgemeinschaft wächst. Ich bin nicht bereit, darauf mit Angst und Furcht vor Überfremdung zu reagieren. Nein! Ich freue mich für Sie und Ihre Gemeinde! Und ich bin neugierig! Ihre Einladung zeigt, Ihre Türen stehen offen – auch für die Skeptiker unter uns!
Unsere muslimischen Freunde zeigen uns, dass sie Halt und Identität in der Tradition finden – in den religiösen Ritualen, in der Familie. Das beeindruckt.
Was ist meine Vision von einem zukünftigen Dialog?
Zwischen Pankow und Wedding? Kann, soll es weitergehen mit unserer Initiative »Café Abraham«? Ich denke, nach 11/2 Jahren Blättern in den Heiligen Büchern freue ich mich auf eine Atempause. Ich denke, dem Dialog tut es sehr gut, wenn er den Charakter einer Initiative behält. Eigentlich dachte ich, so, jetzt ist es auch wieder gut. Aber dann passieren diese Dinge mit Herrn Söder und seinen Kreuzen. Vielleicht gelingt es, den Impuls weiter nach außen zu tragen, in den Pankower und Weddinger Kiez. Heute sind zusammen mit mir viele Interessierte gekommen und ich weiß von Weiteren, die gern gekommen wären. Aus
dem Netzwerk Pankow-Hilft, aus dem Bezirksamt Pankow. Es gibt sie – die Neugier aufeinander. Aber auch die Skepsis. Die Angst, die Sorge – jeder Dialog, jeder Diskurs ändert die Gesellschaft. Sofort gibt es da
den Impuls der Abgrenzung. Der Impuls des sich Abgrenzen- Wollens, des sich Verteidigen-Müssens führt bis ins Parlament! Das erschreckt mich. Aber wir wollen lauter sein – so wie jüngst auf den Berliner Straßen: fröhliche 25.000 Berliner für eine »Offene Gesellschaft«! Von allen Seiten zum Brandenburger Tor! Wir träumen von einer Gesellschaft in Frieden und Gerechtigkeit, ohne Diskriminierung auf Grund der Geschlechter, der Familienmodelle, der bevorzugten Lieblingssprache, der Religion.
Unsere Demokratie ist noch jung – wir hier in Deutschland leben genaugenommen erst seit dem Fall der Berliner Mauer selbstbestimmt, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, der eigentlich erst das Ende des 2.Weltkrieges besiegelt hat – und meine Generation weiß das überaus zu schätzen.
Für mich steht die große Frage im Raum: Wird es gelingen, den Traum von einer gerechten Welt gemeinsam zu träumen, hier und jetzt? Lassen Sie uns Begegnungsräume finden. Wir sind noch im Schnuppermodus.
Aber wir sind neugierig, wir sind bereit! Das ist,unser Appell, der Appell unserer kleinen Gesprächsgruppe, ob Christ, Muslim, Jude oder Atheist: Wir gehören zusammen. »Keine Hetze im Namen der Religion – keinen Zentimeter den Hasspredigern dieser Welt«.