Predigt · Ostern · 16. April 2017 · Pfarrerin Ruth Misselwitz
- Korinther 15, 1-11
Liebe Schwestern und Brüder,
wieder feiern wir Ostern,
wieder blühen die Frühlingsblumen
wieder kommt das Grün aus den kahlen Zweigen heraus
wieder zwitschern die Vögel in der Sonne und das Eis ist
geschmolzen
nach dem kalten Winter.
Wieder feiern wir Ostern,
Gott sei Dank!
Wir sind in der Karwoche den Leidensweg mit Jesus mitgegangen,
haben am Karfreitag seinen Tod betrauert
und jubeln heute über seine Auferstehung von den Toten,
seinen Sieg über den Tod.
Heute ganz in der Frühe begrüßten wir mit den Schwestern und
Brüder aus dem Franziskaner den ersten Tag der Woche,
den Sonntag,
den Auferstehungstag des Herrn
mit einem Osterfeuer.
Und aus dem Dunkel der Nacht kam die Dämmerung
und der neue Tag besiegte die Finsternis der Nacht
und das Licht war um uns.
So, liebe Schwestern und Brüder, beginnt Ostern.
Wir hörten es vorhin in der Erzählung über die Frauen, die in der
Dämmerung das Grab Jesu aufsuchten.
Und statt des Leichnams Jesu eine Lichtgestalt sahen.
Liebe Schwestern und Brüder, nirgends wird uns in der Bibel erzählt,
wie Jesus von den Toten auferstanden ist.
Aber es gibt ganz viele Geschichten, wie der Auferstandene den
Jüngern und Jüngerinnen erschienen ist.
Und jeder Evangelist erzählt es etwas anders.
Neben den 4 Evangelien haben wir noch viele andere Erzählungen,
die uns erhalten geblieben sind, die aber nicht in die Bibel
aufgenommen wurden.
Das Grundereignis aber, das für alle Beteiligten eine entscheidende
Wende in ihrem Leben bewirkte,
war die Begegnung mit einem lebendigen Menschen,
dessen Tod sie mitansehen mussten und bezeugen konnten,
der aber nun unversehrt und lebendig vor ihnen stand und mit ihnen
redete.
ER war es – Jesus von Nazareth – anders zwar, aber unverkennbar in
Licht und Kraft.
Und das hatte offenbar eine so überwältigende Wirkung gehabt,
dass aus dem Schock über den furchtbaren Tod Jesu
der Jubel über seinen Sieg wurde.
Das Kreuz war nicht das Ende,
seine Gegenwart, seine Botschaft, seine Hinterlassenschaft blieb
lebendig.
Was die Begegnung mit dem auferstandenen Christus für Paulus
bedeutete,
einen der die Anhänger Jesu zuerst grimmig verfolgte,
und der dann zum eifrigsten Missionar wurde,
beschreibt Paulus in dem 1. Brief an die Korinther:
Wir haben es vorhin in der Epistellesung gehört.
Viele viele Zeugen werden von Paulus aufgezählt, denen Jesus
erschienen ist,
von denen wir in den Evangelien gar nichts mehr hören.
Aber die Paulusbriefe sind die ältesten Textüberlieferungen, die uns
vorliegen.
Und aus ihnen lässt sich erahnen, was sich da für eine Dynamik
entwickelte, die zur Gründung er ersten christlichen Gemeinden
führte – und dann zur weltweiten Kirche.
Was ist damals passiert?
Das fragen sich seit 2000 Jahren nicht nur die christlichen Theologen,
sondern alle, die sich mit Entstehungsmythen von Religionen
beschäftigen.
Der Kreuzestod Jesu war ein Schock,
ein Trauma für die Jünger und Jüngerinnen Jesu.
So konnte, so durfte ein Gottesmann nicht enden.
Wenn Gott bei ihm gewesen wäre, dann wäre das nicht passiert.
Also war doch der logische Schluss, dass er gar nicht der Messias ist,
für den sie ihn gehalten hatten.
Ein Trauma war dieser Tod, eine tiefe Enttäuschung, denn sie hatten
geglaubt, er würde nun das Elend der Welt beenden
und Gottes Gerechtigkeit und Frieden aufrichten.
Und zu der Verzweiflung kam die Angst, selbst hingerichtet zu
werden, weil sie ja als seine Anhänger bekannt waren.
Und dann diese Wende.
Die Begegnung mit dem lebendigen Jesus.
Das brachte alles in ein völlig anderes Licht.
Liebe Schwestern und Brüder, was bedeutet es, dem lebendigen
Christus zu begegnen?
Von Paulus wissen wir, dass es sein Leben grundsätzlich verändert
hat.
Er hat mitten in seinem Leben eine Kehrtwende erlebt –
eine Auferstehung von seinem alten zu einem neuen Leben.
Sein Wertesystem wurde auf den Kopf gestellt –
das was ihm vorher unverrückbar als wahr und unabänderlich
erschien,
bekam nun im Lichte des lebendigen Gottes ein ganz anderes
Gewicht und eine ganz andereWertigkeit.
Alles erhielt im Lichte des göttlichen Glanzes eine ganz neue
Bedeutung.
Nicht der Gehorsam und die Angst vor Strafe war nun der Motor für
das neue Leben,
sondern das Vertrauen in Gott und in seine Liebe zu den Menschen.
Nicht das Ausbauen und Investieren in die eigene Kraft und Stärke,
sondern das Sich-Fallenlassen in die Hände Gottes
vermittelten nun Frieden und Sicherheit.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Begegnung mit dem lebendigen Gott mitten im Leben,
mitten im Alltag haben nicht nur die Jüngern und Jüngerinnen damals
erfahren,
so etwas erleben bis heute immer und immer wieder Menschen und es verändert auch ihr Leben so wie damals.
Ostern geschieht jeden Tag aufs neue,
es schlägt ein mitten in unseren Alltag,
mitten in unser Elend, mitten in unsere Hoffnungslosigkeit und
Verzweiflung über uns und diese Welt.
Dann, wenn wir keinen Ausweg mehr sehen,
uns von Gott und allen guten Geistern verlassen fühlen,
dann gibt es über uns, in uns, neben und unter uns
den treuen Gott, der zu seiner Verheißung steht:
Siehe, ich mache alles neu.
Die Visionen und Bilder der Propheten von dem Reich Gottes,
in dem es kein Leid, keine Gewalt, kein Hass und keinen Krieg mehr
gibt
behalten ihre Wahrheit auch oder gerade im Angesicht von Krieg und
Terror.
Die Seligpreisung Jesu der Barmherzigen, der Gewaltlosen, der
Friedensstifter und derjenigen mit reinem Herzen
bleibt in der Wahrheit auch oder gerade im Angesicht von Vergeltung,
Gnadenlosigkeit und Hartherzigkeit.
Die Begegnung mit dem lebendigen Gott erlöst von der kalten
Todesstarre und führt in die Wärme des göttlichen Lichts.
Liebe Schwestern und Brüder,
das Kreuz und die Auferstehung gehören zusammen –
Karfreitag ohne die Auferstehung wäre nur ein schwarzer
hoffnungsloser Tag – dem Elend dieser Welt verhaftet.
Auferstehung ohne das Kreuz aber gibt es nicht – so lehrt uns das
Leben.
Im Leid, im Schmerz erfahren wir unsere Vergänglichkeit und unsere
Erdverbundenheit
Das Kreuz und die Auferstehung verbinden Himmel und Erde,
verbinden Verzweiflung und Hoffnung,
Tod und Leben.
Nach den Gesetzen dieser Welt ist das Kreuz das Symbol des
Scheiterns und der Schwäche.
Ostern aber verwandelt dieses Scheitern und diese Schwäche
in das helle und siegreiche Osterlachen –
das Lachen der Gläubigen und der Erlösten über die finsteren Mächte
dieser Welt – auch oder gerade wenn sie sich wieder einmal so
bedrohlich gebärden wir zur Zeit.
Liebe Schwestern und Brüder, auch wir dürfen in dieses Osterlachen
einfallen.
Was auch immer sie gerade für ein Kreuz durchmachen müssen,
der Treue Gottes dürfen sie sich sicher sein.
Er geht mit ihnen.
Bis ans Ende der Welt und darüber hinaus.
Amen.