Predigt · 17. Sonntag nach Trinitatis · 18. September 2016 · Pfarrerin Ruth Misselwitz
Römer 10, 9 – 17
Liebe Schwestern und Brüder,
auch heute wieder ein Text aus dem Brief des Apostel Paulus
an die Gemeinde in Rom.
Wir hörten ihn vorhin in der Epistellesung, wie Martin Luther
den Brief übersetzt hat. Ich will den Predigttext noch einmal
lesen, wie er in der Bibel in gerechter Sprache steht:
9 Wenn du aber mit deinem Mund öffentlich erklärst, dass es
Jesus ist, dem wir gehören, und mit deinem Herzen vertraust,
dass Gott ihn von den Toten geweckt hat, dann wirst du
gerettet. 10 Vertrauen, das aus dem Herzen kommt, führt zur
Gerechtigkeit. Sich mit dem Mund öffentlich zu erklären, führt
zur Rettung. 11 Denn die Schrift spricht: Wer auf Gott vertraut,
wird nicht scheitern.
12 Deshalb gibt es keinen Unterschied zwischen jüdischen und
griechischen Menschen, denn die Lebendige ist Gott aller
Menschen. Alle, die zu ihr rufen, haben Teil an ihrem
Reichtum: 13 Denn alle, die den Namen der Lebendigen
anrufen, werden gerettet. 14 Wie kann das geschehen? Sie
können doch nur zu ihr rufen, wenn sie ihr vertrauen.
Vertrauen entwickeln können sie aber nur dann, wenn sie von
ihr gehört haben. Von ihr hören können sie aber nur dann,
wenn es Menschen gibt, die die Botschaft über sie verkünden.
15 Verkündet werden kann sie aber nur, wenn es Menschen
gibt, die dazu ausgesandt werden. So ist es geschrieben:
Willkommen sind die Füße derer, die gute Nachrichten bringen.
16 Aber nicht alle haben die Freudenbotschaft angenommen.
Schon Jesaja spricht: Lebendige, wer findet Vertrauen in das,
was wir verkündet haben? 17 Folglich erwächst Vertrauen aus
dem Hören auf die Verkündigung; das Wort des Messias
begründet, dass Menschen auf die Verkündigung hören.
(18 Ich frage mich allerdings, ob sie sie nicht gehört haben. O
doch! In die ganze Welt ist ihre Stimme ausgezogen, bis ans
Ende der Erde ihr Wort.)
Liebe Schwestern und Brüder,
es geht dem Apostel Paulus in seiner unermüdlichen Missionsund
Reisetätigkeit durch ganz Kleinasien
um die „Rettung der Welt“ –
um nicht mehr und nicht weniger.
Paulus sieht sich einem Weltgefüge gegenüber, das
machtorientiert-hierarchisch, zerstörerisch, gewaltbereit und
ungerecht ist.
In allen Völkern werden Menschen unterdrückt, ausgegrenzt,
misshandelt und ihrer Menschenwürde beraubt
auf Grund ihres Geschlechtes, ihrer sozialen Herkunft, ihrer
Ethnie, Religion oder Kultur.
Unterdrückt werden sie von einer Elite, die Reichtum und
Macht an sich reißt,
Recht und Gesetz ihrem Willen beugt
und die öffentliche Meinung bestimmt – da da heißt:
Es gibt keine Alternative.
Die Opfer dieses Systems sind die Ausgegrenzten und
Misshandelten, die Vertriebenen und in den Elendsvierteln und
Gefängnissen dahin vegetierenden Menschen.
Sie haben niemanden, der ihnen Recht verschafft –
im Gegenteil – das Gesetz, das im Prinzip für Gerechtigkeit zu
sorgen hat, wird gegen sie verwendet,
Die Gerechtigkeit, auf die sie hoffen, wird ihnen vorenthalten.
Das Gesetz verhilft ihnen nicht zum Leben, sondern zum Tod.
So jedenfalls erfahren sie es alltäglich –
so hat es auch Jesus aus Nazareth – der Messias – erfahren.
Ohne Schuld wurde er wie ein Verbrecher hingerichtet von den
Eliten des herrschenden Machtapparates –
ein Rechtsbruch in Reinkultur.
Doch nun geschieht das Unglaubliche:
Gott stellt sich auf die Seite dieses zu Unrecht Verurteilten,
er duldet dieses unerhörte Unrecht nicht,
er reißt ihn aus den Klauen des Todes,
zieht ihn hinauf auf seinen Thron und gewährt ihm die
Gerechtigkeit, die ihm gebührt.
„Wenn du mit deinem Herzen vertraust,
dass Gott ihn von den Toten geweckt hat, dann wirst du
gerettet.“ – so schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom.
Ja, liebe Schwestern und Brüder,
das Vertrauen – oder der Glaube an diese göttliche
Überwindung des Todes
ist die Grundlage der Rettung des Einzelnen,
wie der ganzen Welt.
Es ist das Vertrauen in Gott, der gegen die zerstörerische
Logik der weltlichen Macht
die göttliche Kraft der Gnade und Barmherzigkeit stellt.
Es ist das Vertrauen in Gott, der wahre Gerechtigkeit herstellt
und so die Menschheit rettet und der Welt Frieden schenkt.
Die Christen in Rom – Griechen und Juden – trafen sich in
ihrer Mehrheit im Bezirk Trastevere und in der Via Appia,
die ungesündesten Orte der Stadt,
sehr bevölkert mit großem Durchgangsverkehr.
Es waren überwiegend die Armen, die von der Botschaft des
Messias begeistert waren, der von den Mächtigen verurteilt
und von Gott über alle Welt erhöht wurde.
Und Paulus spricht ihnen Mut zu:
„10 Vertrauen, das aus dem Herzen kommt, führt zur
Gerechtigkeit.“
Und das heißt:
Das Vertrauen in Gott wird dein Leben so grundlegend
verändern, dass du gar nicht anders kannst, als in dieser
Gerechtigkeit zu leben, die Gott für diese Welt bestimmt hat.
Und wenn Du in dieser Gerechtigkeit lebst,
dann wird sich das auswirken auf deine Mitmenschen,
auf deine Gesinnung, auf deine Einstellung gegenüber der
Natur und der ganzen Schöpfung.
Denn dann erkennst du in allen Menschen Gottes Kinder –
seinen es nun Juden oder Griechen, Deutsche oder Türken,
Syrer oder Äthiopier,US- Amerikaner oder Brasilianer.
Und dann kannst du auch gar nicht anders, als darüber zu
reden, es öffentlich zu bekennen:
„Sich mit dem Mund öffentlich zu erklären, führt zur Rettung. –
sagt Paulus – „11 Denn die Schrift spricht: Wer auf Gott
vertraut, wird nicht scheitern.“
Ja, es gibt eine Rettung – es gibt eine Alternative – und diese Alternative ist die Liebe Gottes und die Barmherzigkeit,
die den Menschen verändert hin zu einem mitfühlenden,
mitleidenden, zornigen, aber auch hoffenden Wesen mit allen,
die Not leiden und denen Gerechtigkeit vorenthalten wird.
Und, liebe Schwestern und Brüder, deshalb ist es eben nicht
egal, was wir tun oder was wir lassen,
deshalb werden auch wir aufgefordert, unseren Mund aufzutun
und der Welt Zeugnis zu geben von der menschenfreundlichen
Liebe Gottes, die in uns Fleisch werden will.
Deshalb kann es uns eben nicht egal sein, ob und wie viele
Flüchtende vor unseren Grenzen untergehen oder im
Stacheldraht hängen bleiben,
deshalb kann es uns eben nicht egal sein, wenn Bauern von
ihrem Land vertrieben werden, weil wir durch
Massentierhaltung billiges Fleisch haben wollen,
deshalb kann es uns auch nicht egal sein, wenn
Immobilienhaie sich Grundstücke und Häuser aneignen
und für mehr und mehr Menschen Wohnungen nicht mehr
bezahlbar sind.
Deshalb ist eben nicht egal, was und wen wir heute wählen –
und ich hoffe, sie gehen alle wählen,
damit unser Land weiterhin ein demokratisches Land bleibt,
in dem Rechtspopulisten und Rassisten nicht das Sagen
haben.
Deshalb, liebe Schwestern und Brüder, werden wir die
Hoffnung auf die Gerechtigkeit Gottes nicht aufgeben,
weil sie die einzige Rettung für diese Welt ist.
Diese Gerechtigkeit aber ist nicht das Recht des Stärkeren,
es ist nicht die Macht des Geldes oder der militärischen
Überlegenheit – nein –
es ist die Gerechtigkeit, die den Ohnmächtigen und den
Verzweifelten wieder ihre Würde zurück gibt,
es ist die Gerechtigkeit, die um die eigene Schwäche weiß
und sich ihrer eigenen Verstrickung in den sündhaften
Strukturen dieser Welt bewusst ist,
es ist die Gerechtigkeit, die darum weiß, dass man sie nicht
selber durch Leistungen oder besondere Qualitäten erarbeiten
kann, sondern nur als Geschenk von Gott erhält.
Es ist die Gerechtigkeit, die einen mit Demut und Staunen
erfüllt und das Herz weitet.
Zeigen wir uns als Kinder Gottes, die in ihm eine Alternative
sehen für uns und unsere Welt.
Amen.