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Predigt · 7. Sonntag nach Trinitatis · 10. Juli 2016 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Jul. 15, 2016 in Predigten

Apostelgechichte 2, 41 – 47

Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben vorhin die Geschichte über die Entstehung der ersten
christlichen Gemeinden gehört, wie sie uns der Evangelist Lukas in
der Apostelgeschichte überliefert hat.


Lucas hat das ca. 50 Jahre nach dem Leben Jesu aufgeschrieben
und – wie er selbst erzählt –
viele Geschichten über Jesus, die ersten Gemeinden und die Reisen
des Apostel Paulus
gesammelt, geordnet und festgehalten für seinen Freund Theophilus.


Er selbst hat das alles nicht erlebt, worüber er schreibt.
Wir können also davon ausgehen, dass so manche Geschichte durch
das viele Erzählen von einem zum anderen
eine eigene Prägung bekommen hat
und auch von Lukas noch theologisch gedeutet wurde.


So ist die Geschichte von den 3000 Menschen, die an einem Tag
getauft wurden,
nicht danach zu beurteilen, wie und wo und mit welcher Logistik das
geschah,
sondern nach der wunderbaren Wirkung, die die Predigt des Petrus
auslöste und des großen Zulaufes, dessen sich die Apostel erfreuten.


Und wenn wir uns die Geschichte genauer ansehen, dann steckt sie in
der Tat voller Überraschungen und Wunder.


Die Taufe ist von Beginn an der Eintritt in die christliche Gemeinde.
Mit ihr beginnt das neue Leben und eine neue Welt.


Lukas erzählt, dass sie beständig beisammen waren, um die Lehre der
Apostel über Jesus und seine neue Welt zu hören und zu lernen.


Sie verkauften allen Privatbesitz und verteilten es an diejenigen, die
es nötig hatten
und sie hatten alles gemeinsam.


Täglich waren sie beisammen und brachen das Brot miteinander –
das heißt: sie Aßen und Tranken gemeinsam
und feierten das Gedächtnismahl miteinander.


Wir müssen uns das etwa so vorstellen:
Am Abend, nach getaner Arbeit, kamen die Mitglieder zusammen,
alle brachten etwas zum Essen oder zum Trinken mit und legten es
auf den Tisch.
Dann nahm der Hausherr oder die Hausherrin das Brot,
sprach das Dankgebet darüber, brach es entzwei und reichte es den
Anwesenden weiter.
Dann wurde gegessen und getrunken.
Wenn alle satt waren, nahm der Hausherr oder die Hausherrin den
Kelch, sprach den Segen darüber
und jeder nahm einen Schluck als Zeichen der Gemeinschaft und des
Dankes.


Die Einsetzungsworte, die auch wir heute noch vor jedem
Abendmahl sprechen, erinnern uns an diese Tradition.


Ich habe solch eine Form des Abendmahls selbst auch schon bei
Rüstzeiten oder besonderen Gottesdiensten erlebt.


Die Tatsache, dass sie keinen Privatbesitz hatten und alles
miteinander teilten, hat in der Geschichte zu vielen Spekulationen
und Reaktionen geführt.


So urteilte der Kommunist Friedrich Engels über die ersten christlichen Gemeinden, dass sie die ersten Kommunisten gewesen
wären.


Die Idee der Klöster gründet sich auf dem Verzicht des privaten
Eigentums


und viele christliche Gemeinschaften bis auf den heutigen Tag leben
nach diesem Vorbild.


Ja, auch die Idee der Kibbuzim in Israel gründete sich auf das
alttestamentliche Vorbild des Teilens
in einer Gemeinschaft, in der es weder Reiche noch Arme gibt,
sondern alle gleichermaßen am Wohl oder Wehe der Genossenschaft
teilhaben.


Ja, liebe Schwestern und Brüder,
es ist keineswegs nur ein utopisches Märchen, das wir da hören.


Es hat immer wieder Menschen gegeben und wird es auch in Zukunft
immer wieder geben,
die sich aus den Zwängen und der Macht des Geldes befreien
und ein Leben gestalten, dass sich nach anderen Gesetzen ausrichtet,
als denen des Erfolgs, der Leistung und des Wachstums.


In unserem letzten Gemeindebrief hatten wir das Thema: „Reichtum“


Die Statistik, die dort zu sehen ist über die Verteilung des Reichtums
in der Welt, sind atemberaubend.
In einigen wenigen Ländern der Nordhalbkugel,
zu denen auch Deutschland gehört,
häuft sich in unanständiger Weise der Reichtum dieser Erde an,


wogegen die bevölkerungsreichen Länder Afrikas, Lateinamerikas
und Asiens nur einen Bruchteil dessen besitzen, was wenige
Menschen im Norden haben.


Dass diese ungerechte Verteilung Ursache für Kriege, Terrorismus
und Flüchtlingsströme ist, versteht jedes Kind –
nur die Erwachsenen offensichtlich nicht.


Die Entscheidung aus diesem todbringenden System auszubrechen
und Buße – das heißt – Umkehr – zu tun,
war damals für die ersten Christen und ist bis heute ein
lebensrettender Schritt.


„Tut Buße. Und jeder lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi“ –
das war der Ruf der Apostel.


Buße heißt: Umkehr –
das bedeutet: Die Richtung wechseln,
nicht weiter so auf dem Weg gehen, der ins Verderben führt.


Rettung ist angesagt – ja es gibt einen Ausweg aus diesem Dilemma.


Es ist der Weg, den Jesus gegangen ist,
der Weg des Vertrauens in Gott.


Er hat sich von allen lebenszerstörenden Strukturen befreit,
hat nicht dem Satan mit seinen verlockenden weltlichen
Versprechungen vertraut,
sondern hat sich voll und ganz in die Obhut Gottes gegeben
und sich nur ihm als dem Herrscher der Welt unterworfen.


„Der Herr fügte täglich hinzu, die gerettet wurden“ – so lesen wir es
in der Apostelgeschichte.


Liebe Schwestern und Brüder,
ich stelle mir vor, dass die Anziehungskraft dieser Gemeinschaften genau in diesem Geheimnis liegt.
Jesus und seine Anhänger lebten schon diese neue Welt, von der
Jesus gepredigt hat.
Sie warteten nicht darauf,
sie traten sofort mit der Taufe in dieses Gottvertrauen und legten alles
ab, was sie daran hinderte.


Und sie blieben in der Gemeinschaft.


Sie trafen sich im Tempel, dem Zentralheiligtum,
in dem alle Gruppen und Richtungen zusammen kamen,
um Gott zu loben und zu danken.
Und dann trafen sie sich abends in den Häusern, um die
gemeinsamen Mahlzeiten miteinander zu halten.


Damals gehörten wohl noch alle zusammen – die traditionellen
Juden, mit denen man im Tempel den Gottesdienst feierte
und die „Anhänger des neuen Weges“ – wie man die ersten Christen
nannte,
die dann ihre Hausgemeinschaften hatten.


Liebe Schwestern und Brüder,
wir schauen wohl manchmal neidisch auf diese Bilder der Eintracht
und des Zusammenhalts.


Wir wissen aus unseren Gemeinden, dass die Realität oftmals ganz
anders aussieht.


Und aus den Briefen des Paulus wissen wir auch, dass es von Anfang
an Spannungen und Spaltungen gab.


Darüber hinaus aber wollen wir doch auch nicht vergessen, wie viel
Gemeinschaft, Zusammenhalt und Freundschaft es in den Gemeinden
und so auch in unserer Gemeinde gibt.


Wie viele Mitglieder gibt es bei uns, die sich umeinander kümmern,
die den Kontakt zueinander halten, die sich anrufen und trösten in
schwierigen Zeiten.


In den vielen Gruppen und Kreisen –
vom Kindergarten angefangen, über die Christenlehre, die
Jugendarbeit und die Seniorenarbeit –
gibt es viel Zusammenhalt und Gemeinschaft.


Die Gottesdienste sind der zentrale Treffpunkt aller Gruppierungen.
Auch in unseren Gottesdiensten gibt es viele Eltern, Kinder und
Senioren.
Viele Taufen dürfen wir feiern, so dass immer Neue hinzukommen.


Beim Kirchenkaffee ist immer der Tisch voll und alle kommen
miteinander ins Gespräch.
Die neusten Nachrichten werden ausgetauscht und neue
Verbindungen geknüpft.


Einige aus unserer Gemeinde kümmern sich intensiv um die
Integration von Flüchtlingen – auch am kommenden Freitag gibt es
wieder einen Kinotag mit anschließendem Kochen im Gemeindehaus.


Und der Gemeindebrief nimmt Themen aus unserer Welt auf, zu
denen wir als Christen eine Stellung beziehen.


Ein wenig erleben wir schon hier und jetzt diese neue Welt, die uns in
Jesus geschenkt wurde.


Möge er uns auf diesem Weg weiterhin stärken und kräftigen und
seinen Segen dazu geben.
Amen.