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Predigt · 3. Advent · 13. Dezember 2015 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Dez. 18, 2015 in Predigten

1.Korinther 4, 1 – 5

Liebe Schwestern und Brüder,
der 3. Advent ist heute,


in 1 1/2 Wochen ist Weihnachten – das Fest der Familie, das Fest der
Freude – das Fest des Friedens.


Und die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein –
aggressive Autofahrer auf den Straßen, umher hastende Menschen in
schrill geschmückten Kaufhäusern,
depressive Singles, die sich ihrer Einsamkeit gerade jetzt besonders
schmerzlich bewusst werden.


Und dann die Weltsituation – Kriege, Umweltkatastrophen,
Finanzkrisen und nicht enden wollende Flüchtlingsströme von
verzweifelten Menschen.


Die alten Geschichten von Wölfen, die angesichts eines kleinen
Kindes friedlich sind, hartherzigen Menschen, denen sich die Hand
öffnet und Feuer, dass nicht verbrennt – scheinen nur noch einfältige
Märchen zu sein.


Die Welt sieht anders aus.


Woraus soll ich Hoffnung schöpfen?


Als der Apostel Paulus wenige Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung
im römischen Reich umher reist und allen Enden der Welt die frohe
Botschaft des Messias Jesu verkündet,
der nun nicht mehr nur den Juden, sondern allen Menschen den
Zugang zum jüdischen Gott eröffnet hat,
sieht die Welt auch nicht gut aus.
Es gibt auch Krieg, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Gewalt.


Aber Paulus ist überzeugt davon, dass all das ein Ende hat,
wenn sich alle Menschen diesem Messias anschließen,
denn er verkündet nicht Hass, sondern Liebe, nicht Gewalt, sondern
Barmherzigkeit,
nicht Unterdrückung sondern Freiheit in Gerechtigkeit.


In dieser Mission kommt er auch nach Korinth, einer Hafenstadt in
Griechenland, und gründet dort eine christliche Gemeinde.


Nachdem er schon längst wieder weiter gereist ist, erreichen ihn
schlechte Nachrichten aus Korinth.
Die Gemeinde hat sich gespalten und ist im Streit miteinander.
Richtungskämpfe zwischen Anhängern des Apollos, auch einem
christlichen Missionar, und Anhängern von Paulus zerreißen die
Gemeinde.


Paulus ist darüber tief betrübt und versucht zu vermitteln. Er schreibt
an die Gemeinde:
Text: 1. Kor. 4, 1 – 5


„Wir dienen dem Messias und uns ist die Verantwortung für die
göttlichen Geheimnisse anvertraut.“


Paulus ermahnt die Verantwortlichen in der Gemeinde,
sich auf das zu konzentrieren, was was wirklich wichtig ist.
Ihr sollt euch nicht in Richtungskämpfen zerschleissen,
sondern ihr habt darauf zu achten, dass die Verkündigung und Lehre
der göttlichen Geheimnisse praktiziert wird,
die Geheimnisse aber letztendlich Geheimnisse bleiben.


Wir haben im Bibelkreis versucht, so einige dieser Geheimnisse
zusammen zu tragen.

Da wurde die Menschwerdung Gottes in Jesus genannt,
sein schrecklicher Tod, seine Auferstehung, die Taufe, das
Abendmahl, die Schöpfung, der Heilige Geist, seine unbegrenzte
Liebe und Barmherzigkeit,
seine Nähe aber auch seine Ferne –


kurzum alles, was wir mit Gott verbinden und was wir manchmal
verstehen, ein anderes mal überhaupt nicht.


„Von den Haushaltern verlangt man, dass sie treu sind.“
so schreibt Paulus.


Treue Verwalter lassen sich nicht bestechen, wirtschaften nicht in die
eigene Tasche, verschleudern nicht das anvertraute Gut,
sind aber auch nicht geizig damit,
sie achten den Wert des Gutes
und sind sich immer darüber im Klaren, dass es nicht ihr Eigentum,
sondern Gottes Eigentum ist.


Und das heißt, dass kein Mensch es für sich allein besitzen kann
oder die alleinige Deutungsmacht darüber besitzt.


Am Ende bleibt es das Geheimnis Gottes, das nur er allein
vollständig offenbaren kann.


Liebe Schwestern und Brüder,


an diesen Geheimnissen festhalten trotz oder gerade weil die Welt so
ist wie sie ist,
das ist für mich die Botschaft dieses Textes hier und heute.


Es kann sein, dass mir der Sinn und der Zugang zu diesen göttlichen
Geheimnissen völlig verloren geht.


Es kann passieren, dass ich von Zweifeln geplagt und mit
Mutlosigkeit geschlagen bin,


als Dienerin des Messias und Haushalterin seiner Geheimnisse aber
ist es nicht meine Aufgabe, deren Existenz oder Nichtexistenz,
deren Sinn oder Unsinn beweisen zu müssen,


es hängt auch nicht von meinen Fähigkeiten und Leistungen ab, ob
sie da sind und wirken,


ich habe dafür zu sorgen, dass sie verkündet und praktiziert werden –
die Taufe, das Abendmahl, den Gottesdienst.


Und in dieser Zeit des Advents ist es die Verkündigung des
Geheimnisses von der Menschwerdung Gottes.


Das ist wirklich ein wunderbares Geheimnis –
da ist Gott von seinem Himmelsthron herabgestiegen auf diese Erde.
Ist ein kleines hilfloses Kind geworden.
Hat sich einer jungen Frau aus dem Volk anvertraut.
Ist nicht in einem prächtigen Schloss, sondern in einer ärmlichen
Hütte geboren.
War auf der Flucht vor einem gewalttätigen Herrscher und wurde von
einem Engel in Sicherheit geführt.


Was ist das für eine Geschichte.
Gott ist in diese tobende und von Gewalt zerrissene Welt gekommen.


Warum?


Aus Liebe zu dieser Welt und zu den Menschen – sagen uns die Texte
aus der Bibel.


Weil er die Welt retten will – hören wir den Engel auf dem Feld zu den Hirten sagen.


Gott hat also die Welt und seine Geschöpfe darauf nicht aufgegeben,
er hat sie nicht ihrem Schicksal überlassen.


Liebe Schwestern und Brüder,
aus dieser Botschaft hole ich mir die Kraft, die Welt auch nicht
aufzugeben.


Ich will daran festhalten, dass diese Botschaft der Liebe weiter
verkündet wird.
Ich will daran festhalten, dass die Liebe stärker als der Hass ist,
ich will daran festhalten, dass ich nicht Böses mit Bösem vergelten
soll,
ich will daran festhalten, dass die Anwendung von Gewalt auch
immer wieder Gewalt ernten wird,
ich will daran festhalten, dass Misstrauen und Angst schlechte
Ratgeber für die Sicherheit sind,
ich will daran festhalten, dass Feindschaft und Hass überwindbar
sind, aber nicht durch Bomben, sondern durch eine kluge
konsequente Politik und eine umsichtige Diplomatie.


Ich will daran festhalten, dass Frieden auf dieser Welt möglich ist
durch Gerechtigkeit und ohne Anwendung von Gewalt.


Auch wenn derzeit alle Zeichen in eine andere Richtung weisen,
wenn ich als utopisch oder weltfremd verlacht werde,
ja wenn ich selbst im Zweifel darüber bin, ob das denn weiter führt,
dann will ich mich durch Paulus ermahnen lassen, treu zu bleiben
und an den Geheimnissen Gottes festzuhalten.


Das ist das mindeste, aber das ist manchmal auch das Schwerste,
was wir tun können.


Liebe Schwestern und Brüder,
Paulus hatte damals noch die Hoffnung, dass Jesus wieder kommen
wird, bevor er sterben wird. Und Paulus freute sich auf diese
Begegnung.


Wir wissen heute, das Ende der Welt ist nicht gekommen.


Aber die Hoffnung, dass sein Reich kommen wird,
ja dass es schon angebrochen ist mitten unter uns
und wir von all diesem Elend wirklich irgendwann erlöst werden,
ist immer noch genauso stark lebendig, wie damals.


Und so lesen wir den letzten Vers, den Paulus schreibt, noch einmal:


„Richtet also nicht vor der Zeit, wartet bis der Herr kommt, dann
wird er das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und dann wird
jeder sein Lob von Gott bekommen.“


Amen.