//

Predigt · 3. Advent · 15. Dezember 2013 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Dez. 20, 2013 in Predigten

Offenbarung 3, 1 – 6

Liebe Schwestern und Brüder,
die Texte in der Adventszeit haben eigentlich gar nicht so richtig
etwas mit unserer freudigen Advents- und Weihnachtserwartung
gemein.


Da ist die Rede von der Endzeit, vom Weltuntergang und von dem
Gericht, das über alle Kreatur kommen wird.


Ja, die Adventszeit war in der alten Kirche ebenso wie die
Passionszeit eine Fastenzeit – noch erkennbar an der Farbe Lila, die
wir an den Antependien sehen können.


Es war die Zeit, in der man sich innerlich und äußerlich auf die
erwartete Wiederkunft Jesu Christi vorbereitete und sich auch durch
das Fasten dafür reinigte.


Heute ist es eine Zeit der Vorweihnachtsfreude und der guten
Genüsse mit all seinen Vor- und Nachteilen.


Die Weihnachtszeit – die wirkliche Freudenzeit beginnt im
Kirchenjahr erst am 25. Dezember,
dann wenn die Weihnachtsmärkte und der Weihnachtsschmuck schon
wieder abgebaut werden
und die Konsumindustrie sich schon auf Ostern vorbereitet.


Wir befinden uns noch der Adventszeit und lassen uns durch die
Texte daran erinnern, was sie eigentlich zu bedeuten hat.


Wir hören den Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem Buch
der Offenbarung aus dem 3. Kapitel, Verse 1-6
………………………………………………….
Liebe Schwestern und Brüder,
Wir befinden uns im Jahr 95 nach Christus,
unter dem römischen Kaiser Domitian beginnen die ersten
Christenverfolgungen.


Johannes, einer von ihnen, ist ein Gefangener auf der Sträflingsinsel
Patmos.
Er hat auf dieser Insel Hunger und Durst, Folter und Qual erfahren.
Und da sieht er in Visionen die Qualen der Welt, die am Ende vor
dem großen Gericht Gottes über diese Welt einbrechen werden.


Er sieht aber auch das Zusammenbrechen der weltlichen Herrscher
und den Fall des römischen Kaisers, der sich selbst zum Gott erhebt.


Und am Ende sieht er die Königsherrschaft Jesu Christi und den
Einzug der Heiligen mit ihren weißen Gewändern in das Reich
Gottes.


Sieben Briefe werden ihm aufgetragen zu schreiben
an sieben christliche Gemeinden
mit dem Ziel, sie alle aufzurütteln und vorzubereiten auf den großen
Tag des Herrn, damit sie alle das große Gericht unbeschadet
überstehen.


Jede Gemeinde wird anders beurteilt.


Die Gemeinde in Sardes erfährt ein sehr kritisches Urteil.


„Du hast den Namen, dass Du lebst und bist tot.“


Ob das stimmt, können wir nicht beurteilen,
Was wir aber feststellen können:
Ein Mensch, gefangen in einem Lager, hat auf das Leben der
normalen Menschen in normalen Zusammenhängen einen anderen Blick als eben die Normalen.


Die Probleme des gewöhnlichen Alltags sind aus der Sicht des Lagers
Problemchen.
Es ist eine extreme Sicht, weil sie einer extremen Situation
mit extremen Erfahrungen entstammt.


Menschen mit Kriegserfahrungen, Gewalt- und Unrechtserfahrungen
sehen die Welt mit anderen Augen.


Da wird das, was einmal wichtig und normal war, radikal hinterfragt,
da gerät das Normale und Gewohnte völlig aus der Halterung
und neue Werte und Erkenntnisse brechen über einen herein.


So mag es wohl auch Johannes ergangen sein in seiner Beurteilung
über die Gemeinde in Sardes.


Lassen wir uns einmal auf diese extreme Sicht ein,
dann werden wir feststellen, dass sie eine schmerzliche aber auch
überraschende Tiefe hat
und am Ende ein großer Trost ist.


„Du hast den Namen, dass du lebst und bist tot“


Liebe Schwestern und Brüder, alle Aussagen können wir auf die
Situation einer Gemeinde,
aber auch auf die Situation unserer inneren Beschaffenheit beziehen.


Wo funktionieren wir nur noch auf die Erwartungen, die an uns
gestellt werden und denen wir uns tagtäglich anpassen wollen?


Wo stimmt das schöne aktive Bild, das wir nach außen transportieren,
überhaupt nicht mehr mit unserer inneren Leere und Überforderung
überein?


Wo stellen wir fest, dass wir in bestimmten Bereichen schon
gefühllos, ja abgestorben sind
und uns am liebsten – wie der Prophet Elia
in die Wüste legen und sterben wollen?


„Werde wach und stärke das andere, das sterben will“


Ja, Elia erfährt auch durch einen Engel ein Wachrütteln.


Der Ruf muss von aussen kommen, von einem Boten Gottes – das
kann die Stimme eines Menschen sein, aber auch eine innere Stimme.


„werde wach und stärke das andere, das sterben will“ –


es ist also noch nicht alles abgestorben,
ein glimmender Docht ist noch vorhanden, der nicht gelöscht werden
kann.


Ja, es gibt auch das andere – das Heilsame, es gibt das Erlösende, das
Gute, die liebende heilende Umarmung.


In jeder Gemeinde, in jedem Menschen ist dieser göttliche Funke
vorhanden, der wieder aktiviert werden will.


„Ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem
Gott.“ sagt Johannes.


Ja, all unsere Werke sind unvollkommen und mangelhaft,
wenden wir ein–
wie, wenn wir das anders sehen würden?


Manchmal könnten wir schon den Mut verlieren über so viel
Fehlerhaftes und Bruchstückhaftes, was wir produzieren.

Aber, liebe Schwestern und Brüder, hier ist nicht ein Urteil über uns
gesprochen, sondern über unsere Werke.


Gott hat uns in seiner Liebe und Gnade vollkommen geschaffen,
alles ist in uns angelegt, was zu dieser Vollkommenheit unserer
Werke führen könnte,
aber unser mangelnder Glaube und unser mangelndes Vertrauen in
Gott hindern uns immer wieder daran.


„So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast und halte es
fest und tue Buße.“


Ja, wir sollen uns immer wieder erinnern lassen an das, was uns doch
schon geschenkt wurde.
Wir sollen uns erinnern lassen, indem wir die alten Geschichten von
der Menschwerdeung Gottes hören und die Botschaft der Engel, dass
Friede auf Erden sein soll.


Ja, wir sollen mitten in diesem Unfrieden die Rituale im Kirchenjahr
feiern,
mit diesen Geschichten durch das Leben Jesu im Kirchenjahr
mitgehen,
von seiner wunderbaren Geburt bis zu seinem gewaltsamen Tode
und uns so der Gegenwart Gottes in diesem und in unserem Leben
bewusst werden.


„Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben,
die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind´s
wert.“


Gott sei Dank, sagen wir da, es gibt sie,
diese guten Menschen in der Gemeinde
und es gibt diese guten Anteile in mir, in einem jedem von uns.


„Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden und
ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens ,
und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor
seinen Engeln


Es ist also nichts umsonst, auch das kleinste und zarteste Bemühen ist
nicht umsonst – es wird von Gott gesehen und von Christus vor
seinem Vater bekannt.


Liebe Schwestern und Brüder, das ist der tröstliche Teil dieser Vision
des Johannes, die anfangs doch so spröde und hart geklungen hat.


Gott sieht unser Bemühen, er sieht unsere Stärken aber auch unsere
Schwächen.
Und er will das andere – das Heilende, das Tröstende, das Gute in uns
stärken und kräftigen.


Das ist die gute und befreiende Nachricht im Advent, wenn wir uns
vorbereiten wollen auf seine Ankunft, hier mitten unter uns
Menschen.
Amen