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Predigt · Palmarum · 24. März 2013 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Mrz. 30, 2013 in Predigten

Johannes 12, 12 – 19

Liebe Schwestern und Brüder,
Der heutige Sonntag heißt Palmsonntag,
mit ihm beginnt die letzte Woche in der Passionszeit – die Karwoche.


Wir feiern diese Woche sehr intensiv mit täglichen
Passionsandachten, dem Gründonnerstagsgottesdienst und dann am
Freitag, dem Karfreitagsgottesdienst, um dann am Ostersonntag nach
der langen Passionszeit endlich die Auferstehung des Herrn zu feiern.


Mehr und mehr Menschen nehmen diese Woche zum Anlass, sich
intensiv auf das Leiden und Sterben Jesus vorzubereiten, indem sie in
dieser Woche in einer Gruppe oder für sich alleine fasten.


Wie auch immer man diese Woche gestaltet, es ist die letzte Woche
vor Ostern und hat damit ein besonderes Gewicht.


Der heutige Sonntag läutet diese Woche ein und sie beginnt mit dem
Einzug Jesu in Jerusalem.


Wir hörten vorhin in der Evangeliumslesung wie der Evangelist
Johannes dieses beschreibt.


Jesus will mit seinen Jüngern und Jüngerinnen in Jerusalem das
große jüdische Passahfest feiern, das zur Erinnerung an den Auszug
Israels aus dem Skalvenhause Ägypten erinnert.


Die Stimmung in Israel ist nicht gut. Das Volk stöhnt und leidet unter
der römischen Kolonialmacht.
Die Weltmacht Rom hat sich über ganz Europa ausgebreitet und ist
bemüht mit allen Mitteln, diese Macht zu behalten.
Die Sicherung der Außengrenzen und die Niederschlagung nationaler
Befreiungsversuche verschlingt eine gigantische Summe von
Rüstungsausgaben, die ständig aus den unterdrückten Völkern durch
Steuern und Abgaben herausgepresst werden muss.


Auch in Israel formiert sich der Widerstand gegen die verhassten
Römer.
Verschiedene kleine Gruppen versuchen mit Aufständen und
Anschlägen die römische Besatzungsmacht zu verunsichern.


Die Sehnsucht im Volk nach einem Führer und Befreier, der sich an
die Spitze der Befreiungsbewegung stellt ist groß.


Die Sehnsucht nach einem König aus dem Stamme Davids,
wie ihn die Propheten vorhergesagt haben, der das Reich Gottes in
Israel und auf der ganzen Welt aufrichtet,
die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit und einem großen
Gottesmann, der dieses verwirklicht, ist groß.


Und in Israel geht das Gerücht herum, dass dieser Jesus von Nazareth
es ein könnte.


Von ihm werden die erstaunlichsten Dinge erzählt,
dass er heilen, trösten, viele hundert hungrige Menschen sättigen
kann, Dämonen austreiben und Stürme dämpfen kann, ja, dass er
sogar von den Toten auferweckt, wie den Lazarus, den Bruder der
Martha.


Und nun wird er zum Passahfest, dem Fest der Befreiung aus der
Sklaverei, in Jerusalem erwartet.


„Hosianna! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn, der König
von Israel.“
So begrüßen ihn die Menschen in Jerusalem –
so empfängt man den heißersehnten Messias, den Gesalbten Gottes,
den König über Israel, der sein Volk befreien wird aus der Sklaverei,
so wie einst Mose das Volk aus der ägyptischen Sklaverei geführt hat.


Genau so erwarten sie es jetzt auch von Jesus.
Und sie bereiten ihm einen festlichen Empfang mit Liedern und
Palmen und sie ziehen ihre zerlumpten Kleider aus und legen sie ihm,
den neuen König auf den Weg.


Denn von dem herrschenden jüdischem König Herodes Antipas
erwarten sie nichts mehr, er ist ein Vasall der Römer.


Doch wie kommt dieser König daher?
Auf einem Esel reitet er – das Tier des armen Mannes.


Und das ist nicht etwa ein Versehen, nein, das ist bewusst gewollt –
das ist ein Programm.


Jesus verzichtet auf alle hoheitlichen und königlichen Symbole –
kein Roß, auf dem er kraftvoll einher reitet,
keine Sänfte, auf der er sich tragen lässt, keine millitärischen
Aufmärsche, die seine Durchschlagskraft bezeugen sollen –


Nein ein Esel – das wäre heute in etwa mit einem Fahrrad zu
vergleichen.
Stellen sie sich das mal vor: Jesus kommt mit einem Fahrrad in die
Hauptstadt und verkündet den Anbruch des Reiches Gottes hier in
dieser Stadt.


Wer würde ihn denn überhaupt zur Kenntnis nehmen?
Einer von den vielen Weltverbesserern, die es zu Hauf gibt und die
die Welt auch nicht ändern können – so würden doch viele denken.


So haben damals auch viele gedacht – aber nicht alle.
Es gab doch eine ganze Menge von Menschen, die gehofft haben,
dass er sich an die Spitze der Befreiungsbewegung stellt und kräftig
zuschlägt.
Als er sich dann aber widerstandslos gefangen nehmen ließ,
keine Befreiungsaktion mit dem Schwert zu ließ,
als man ihn brutal geisselte, verspottete und verhöhnte,
da brachen für viele alle Hoffnungen wieder in sich zusammen –
so einer kann doch Israel nicht befreien,
so einer kann doch nicht König sein.


Und wütend verlangten sie nach Barabas, als sie wählten sollten
zwischen ihm und Jesus, Barabas konnte wenigstens zuschlagen, der
war ein richtiger Kämpfer.


Das erwartungsvolle Hosianna schlug nun um in ein enttäuschtes
und wütendes „Kreuziget ihn“


Ja, liebe Schwestern und Brüder, so war das damals und so hat es sich
in der Geschichte immer wiederholt.


Unsere Vorstellungen von einem Befreier, von einem Messias gehen
all zu oft in die Richtung eines Kinohelden wie Arnold
Schwarzenegger, der zwar alle Gerechtigkeit auf seiner Seite weiß,
aber einen Berg von Leichen hinter sich lässt.


Wie oft wünschten wir uns einen Helden, der dreinschlägt in diese
vertrackte Welt, der mit der eisernen Faust in die Finanzmisere
schlägt, die Bänker, Manager und Vorstandsvorsitzenden
durchschüttelt, dass ihnen hören und sehen vergeht,
einen Helden, der für Recht und Gerechtigkeit sorgt, die Reichen
stürzt und die Armen erhöht,
einen Helden, der mit Kraft und Vollmacht das Reich Gottes
aufrichtet und dafür sorgt, dass niemand es wagt, dieses anzugreifen,
Ja, das wäre doch ein richtiger Messias.

Stattdessen kommt er daher auf einem Esel,
lehnt jegliche Gewaltanwendung ab,
predigt die Feindesliebe, die Gewaltlosigkeit, die Barmherzigkeit,
verzichtet auf die weltliche Krone und lässt sich am Ende jämmerlich
umbringen.


Sieht so ein Gottesmann aus? Sieht so der Messias aus?


Ja, liebe Schwestern und Brüder, so sieht der Messias aus.


Und wage ja niemand, den Menschen damals in Jerusalem einen
Vorwurf zu machen – ich vermute, es würde Jesus heute das gleiche
Schicksal ereilen.


Der Messias, so wie er uns in Jesus Christus erschienen ist – das
Kreuz und die Auferstehung läutet eine Zeitenwende in der
Geschichte zwischen Gott und den Menschen ein.


Nicht mehr der zornige drohende Gott tritt uns hier entgegen,
sondern der sanftmütige, der barmherzige, der mitleidende und sich
aufopfernde Gott stellt sich uns hier in den Weg.


Das Reich Gottes kommt nicht von außen mit Feuer und Schwert in
diese Welt geschossen, sondern es kommt von innen, von den
Menschen, die sich von der Liebe Gottes berühren lassen.


Es kommt durch den Heiligen Geist, der sich in die Herzen der
Menschen einwebt und sie so verändert – ganz sanft und unscheinbar,
aber dennoch mit großer Wirkung.


Es geschieht über all da, wo Menschen sich zusammen tun und dem
Haß die Liebe entgegensetzen, der Gewalt die Gewaltlosigkeit,
der Lüge die Wahrheit, der Spaltung die Versöhnung.


Es geschieht da, wo Leben wieder möglich wird
und Trauer sich in Freude verwandelt.


Immer und immer wieder ist das geschehen. Wenn Gott nicht in
dieser Weise in die Welt eingreifen würde, sie würde schön längst
zerstört sein.


Liebe Schwestern und Brüder, das ist gar nicht so einfach zu glauben,
geschweige denn zu begreifen.


Aber es ist für die Welt die einzige Chance.


Lassen sie uns dieses in unserem Herzen bewegen, insbesondere in
dieser Karwoche,


In diesem Sinne wünsche ich eine gesegnete Woche.
Amen.