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Predigt · 20. Sonntag nach Trinitatis · 21. Oktober 2012 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Okt. 29, 2012 in Predigten

1.Korinther 7, 29 – 31

Liebe Schwestern und Brüder, wie soll man denn das machen:
weinen als weinte man nicht, lachen, als lachte man nicht
und Frauen haben als hätte man sie nicht.


Was verlangt denn Paulus da von den Gemeindemitgliedern in
Korinth?


Offensichtlich hat es in der jungen christlichen Gemeinde eine
Menge Diskussionen gegeben über bestimmte Lebenshaltungen und
Wertvorstellungen.


Da prallten Traditionalisten und Modernisten aufeinander,
Menschen mit heidnischen und jüdischen Hintergrund,
Menschen unterschiedlichster Ethnien und Kulturen.


Und ein häufiger Streitpunkt wird die Frage gewesen sein, ob ein
getaufter Christ eine Ungetaufte heiraten darf oder sich von ihr
scheiden lassen soll.


Die korinthische Gemeinde war ein Gemisch aller möglichen
Kulturen und Ethnien, die in der damals sich schnell entwickelnden
römischen Hafenstadt Korinth zusammen kamen.


Da kamen sie aus allen Ländern, landeten oder strandeten dort und
suchten Halt, wo sie ihn finden konnten.


Wir würden dazu heute „Multi- Kulti-Gesellschaft“ sagen.


Die christliche Gemeinde war natürlich geprägt davon.
Und da gab es dann viele Fragen, die an Paulus geschickt wurden
und die er in seinen Briefen beantwortet hat.


Wie sieht es aus mit der Ehe, der Ehelosigkeit,
darf man sich scheiden lassen, wenn man einen ungläubigen Partner
hat,
sind Kinder eher ein Hindernis oder ein Gottessegen usw.


Paulus beantwortet alles ganz beflissen und stellt seine Meinung als
seine Meinung unmissverständlich dar,
gibt aber ebenso unmissverständlich zu verstehen,
dass jeder und jeder für sich selber entscheiden muss,
wie er oder sie leben will und kann
und vor allem, wie er oder sie sich am besten in den Dienst des Herrn
stellen kann.


Zur Frage der Ehe weiß er sehr genau, dass die beste Form für ihn
die Ehelosigkeit ist, weil ihm damit die Sorge um Frau und Kinder
erspart ist.


Und er gibt auch klar zu erkennen, dass das eigentlich für jeden das
beste wäre, weil es die größt mögliche Handlungsfreiheit im Dienst
am Herrn garantiert.


Wer aber heiraten will, ob Mann oder Frau, soll dies tun, damit man
nicht in unnötige Sünde und Begierden fällt,


wer verheiratet ist, soll das auch bleiben,


wenn ein ungläubiger Partner die Ehe auflösen will, dann soll er das
tun,
wenn eine Jungfrau ledig bleiben will, so soll man sie nicht in den
Ehestand zwingen.


„Das sage ich zu eurem eignen Nutzen, nicht um euch einen Strick
um den Hals zu werfen, sondern, damit es recht zugehe und ihr stets
und ungehindert dem Herrn dienen könnt.“

Liebe Schwestern und Brüder, das alles sagt Paulus im Angesicht
einer ganz besonderen Erwartung.
Er und alle Christen um ihn herum, waren davon überzeugt, dass
Jesus Christus wieder kommen und das Reich Gottes endgültig
aufrichten wird,
noch bevor sie alle das Zeitliche gesegnet haben.


Im Angesicht der kurzen Zeit, die ihnen noch zur Verfügung steht,
spielen all diese weltlichen Dinge eine untergeordnete Rolle,


sie sind so unwichtig,


wichtig ist einzig und allein, dass sich jeder Mensch innerlich und
äußerlich auf die Ankunft Jesu vorbereiten kann,
sich frei macht von äußeren Zwängen und Ansprüchen,
sich befreit von Erwartungen und Haltungen, die einen nur wieder
versklaven.


Führt das aber nicht zu einer egoistischen und verantwortungslosen
Haltung gegen über meinen Mitmenschen? – fragen wir da besorgt.


Ja – wenn wir diese Freiheit als Selbstzweck und ideologische
Maxime verstehen.


Nein, wenn wir diese Freiheit als Freiheit im Dienst des Herrn
verstehen.


Dieser Dienst nämlich befreit uns von unseren eigenen Fesseln,
von den egoistischen Trieben, die nur unseren eigenen Vorteil im
Blick haben.


Dieser Dienst öffnet unseren Blick für die Welt und für unseren
Nächsten,
dieser Dienst lässt uns erkennen, was wirklich wichtig ist in unserem
Leben.


Liebe Schwestern und Brüder, die Wiederkunft Jesu hat sich so, wie
Paulus sie damals erwartet hat, nicht ereignet.


Wir haben aber erkannt, dass Jesus in jeder Minute, in jeder
Lebenslage, an jedem Ort bei uns ankommen und in uns eindringen
will und kann.


Und dafür sollten wir vorbereitet sein, dafür sollten wir uns befreit
haben von den Dingen, die uns daran hindern, ihn aufzunehmen.


Ehepartner haben, als hätte man sie nicht,
weinen als weinte man nicht, lachen als lachte man nicht,
kaufen als behielten wir nichts,
diese Welt gebrauchen als brauchten wir sie nicht.


Nichts und niemand ist unser Besitz,
vor Gott können wir uns nicht über einen Menschen, einen Status
oder einen Besitz definieren,
wie wir das gerne vor anderen Menschen tun,


vor Gott sind wir nur wir selbst, nackt und bloß.


Und auch wir sind niemandem ein Besitz – außer Gottes Besitz.
„Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte“ (1.
Kor.7,23) mahnt Paulus.


Da ist uns eine sehr große Freiheit geschenkt worden, mit der wir
verantwortungsvoll umgehen müssen.


„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir
erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.“
(1. Kor. 6,12), so

sagt es Paulus.


Liebe Schwestern und Brüder, wir haben so unsere Vorstellungen,
wie es mit unserem Leben, mit dem unserer Kinder und überhaupt
laufen soll.


Wir orientieren uns an den Normen, die uns umgeben
und versuchen, sie so recht und schlecht zu bedienen.


Das Modell, das uns aber Paulus hier anbietet,
ist eine Befreiung von Normen, die uns die Luft nehmen,
Erwartungen, die uns in einen Käfig sperren.


So kann es durchaus sein, dass man in der Ehelosigkeit einen
Gewinn erkennen kann.
Heute trifft das viele junge Menschen, die als singles von den
Verheirateten misstrauisch beäugt werden.


So kann es durchaus sein, dass man nach einer Ehescheidung, die
einem den Boden unter den Füßen weggerissen hat,
auf einmal erkennt, in was für einem Käfig man viele Jahre gelebt
hat.


So kann das eine Hilfe sein, für Frauen oder Männer, die keine
Kinder bekommen können und an den eigenen wie an den familiären
Erwarten fast zerbrechen,
wenn sie dann endlich das Schicksal annehmen, ohne Kinder auch
ein sinnvolles Leben führen zu können.


So kann das auch eine Hilfe sein, für manch eine Tochter oder einen
Sohn, der an den Erwartungen der Eltern gescheitert ist und endlich
seinen eigenen Weg gefunden hat.


Halt können wir finden, wenn wir in dem, was wir von Gott
geschenkt bekommen haben, einen Sinn finden
und unser Leben so gestalten, dass wir es in den Dienst Gottes
stellen,
und das heißt, das wir unser Leben in seine Hand legen.


Das bedeutet Freiheit, aber auch Verantwortung,
das bedeutet, sich von Gott geliebt wissen
und diese Liebe weiter geben können.


„Denn es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir
fordert., nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig
sein vor deinem Gott.“
– so hörten wir es am Anfang, so möchte ich
schließen.
Amen.