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Predigt · Ostersonntag · 24. April 2011 · Pfarrerin Ruth Misselwitz

Posted on Apr 30, 2011 in Predigten

Matthäus 28, 1 – 10

Liebe Schwestern und Brüder,
jedes Jahr hören wir die Geschichte von der Auferstehung Jesus von
den Toten
und jedes Jahr feiern wir das als das höchste Fest der christlichen
Kirchen.


Ich, die ich aufgewachsen bin in einem christlichen Elternhaus,
ging in meinem naiven Kinderglauben davon aus,
dass dieser Auferstehungsglaube nur in der christlichen Religion
verankert ist.


Als ich allerdings erwachsen wurde und die Welt mehr und mehr
kennen lernte,
entdeckte ich, dass dieser Auferstehungsglaube keineswegs eine
christliche Erfindung ist.
Ausgrabungen von Grabbeigaben und Opfergaben weisen darauf hin,
dass es schon von Beginn der Menschheit einen Glauben gibt, der
über den Tod hinaus weist.


Die alten Ägypter hatten wohl den am meisten ausgeprägten und
kultivierten Todeskult.
Alle religiösen Bauten von den Tempeln angefangen bis hin zu den
Pyramiden dienten und zementierten den Glauben an die
Überwindung des Todes.
Die Grabkammern wurden fest verschlossen, niemand durfte die Fahrt
auf der Barke über den Fluss stören.


Auch im Judentum gibt es diesen Auferstehungsglauben,
bezeugt in den Schriften des 1. Testamentes, in denen Jesus sich
auskannte und zu Hause war.


Und seit die Europäer andere Kontinente und Kulturen entdeckten,
stellten sie fest, dass auch die Inkas in Lateinamerika,
die Menschen aus Zentralafrika
oder sonst wo – an ein Leben nach dem Tod glaubten.


Was also ist so besonders an den Geschichten über die Auferstehung
Jesu vor ca. 2000 Jahren in Israel?


Warum gründete sich aus diesem Glauben heraus eine neue Religion –
das Christentum, dessen Hauptaussage die Auferstehung Jesu Christi
von den Toten ist?


Sicher gibt es darauf wieder mehrere Antworten.


Ich möchte versuchen, einer Antwort nach zugehen.


Zunächst fällt auf, dass in allen 4 Evangelien die Frauen nach dem
Leichnam suchen und der Leichnam ist fort – das Grab ist leer.


Warum ist den Erzählern so wichtig, dass es eine leibhaftige
Auferstehung gab?


Ich muss gestehen, dass mir das gar nicht so wichtig ist.
Ich könnte auch damit leben, dass Jesus nicht leibhaftig, sondern
geistig auferstanden ist.


Auch für meine Auferstehung von den Toten wünsche ich mir gar
keine leibliche, sondern eine geistige,
die mich endlich befreit aus den körperlichen Zwängen und
Unzulänglichkeiten.

Aber Jesus erscheint nach Ostern seinen Jüngerinnen und Jüngern
tatsächlich für eine gewisse Zeit leibhaftig – manchmal lässt er sich
berühren, manchmal nicht.


Was ist damals geschehen, was für eine Botschaft wollten uns die
Menschen mit diesen Geschichten erzählen?


Was tatsächlich geschehen ist – wir werden es wohl niemals wirklich
erfahren.


Aber was uns die ersten Zeuginnen und Zeugen damit weiter geben
wollten – das können wir schon versuchen zu verstehen.


Mit ihrem Meister Jesus ist nicht nur ein gewöhnlicher Mensch
unschuldig verurteilt und umgebracht worden.


Mit ihm ist eine Hoffnung, ein Aufbruch, ein Neubeginn brutal
niedergeschlagen und im Keim erstickt worden.
Der Mann aus Nazareth, aufgewachsen in einer armen Familie,
erfahren mit allen Bedrängnissen und Mühseligkeiten,
die ein Mensch aus der unteren Schicht unter der Besatzungsmacht
der Römer zu erdulden hatte,
machte sich auf und ging – nicht zu den Mächtigen und Reichen -,
sondern zu den Armen, den Mühselig und Beladenen
und verkündete ihnen das Reich Gottes,
heilte sie von ihren Krankheiten, heilte ihre Seelen,
nannte sie Kinder Gottes und gab ihnen so ihre Menschenwürde
wieder zurück.


Ein neues Gebot gab er ihnen: Böses mit Gutem zu überwinden, Hass
mit Liebe und Gewalt mit Sanftmut.


Gott, den Unerreichbaren, den Mächtigen, den Richter und
Weltenlenker nannte er Abba – Väterchen –
und brachte so eine intime Liebesbeziehung zwischen dem Schöpfer
und seinem Geschöpf zum Ausdruck,
wie es kaum jemand vorher gewagt hatte.


Durch sein Handeln, sein Reden und sein Leben eröffnete sich seinen
Anhängern eine völlig neue Welt und ein völlig neuer Gott.


Und sie sahen in ihm verwirklicht die uralte Sehnsucht nach dem
Reich Gottes und seinem Shalom,
wie es geschrieben stand in den alten heiligen Schriften,
in den Büchern Mose und bei den Propheten.


Seine Kreuzigung war eine Katastrophe – das Ende all ihrer
Hoffnungen


Aber auch das Ende ihres Glaubens.
Mit der Auferstehung aber, dem weg gewälzten Stein,
dem leeren Grab
und schließlich dem leibhaftigen Erscheinen unter seinen Jüngerinnen
und Jüngern,
nahm der Lauf der Geschichte eine völlig unerwartete und
dramatische Wende.


Die Weltmacht Rom, die lokalen Hüter des Gesetzes,
die Soldaten mit ihren Schwertern und Lanzen konnten den
Gottesmann nicht umbringen.


Himmlische Kräfte, in Gestalt von Engeln, griffen höchst persönlich
ein und wälzten den Stein fort.

Das Vermächtnis Jesus von Nazareth, seine Heilsbotschaft an die
Welt, sein Leben und Sterben ist nicht im Nichts verhallt.


Gott selber sorgt dafür, dass es wieder zum Leben auferweckt wird.


Und nicht nur als eine unwirkliche Idee in den Köpfen von ein paar
Menschen,
sondern ganz real, ganz wirklich, ganz leibhaftig –
in Fleisch und Blut.


Und so schickt Jesus die Frauen nach Gäliläa – zurück in ihren Alltag.


Sie sollen weiterleben, sein Vermächtnis weiter tragen und es am
Leben erhalten.


Von nun an wird er mit ihnen sein
und sich ihnen in der Feier des Abendmahles immer wieder neu geben
in Fleisch und Blut
als Brot und Wein
und nichts und niemand kann ihn mehr töten.


Liebe Schwestern und Brüder,
Ostern ist der wieder gewonnene Glaube und das wieder gewonnene
Vertrauen in das Leben nach der Erfahrung von Tod und Zerstörung.


Ostern ist die wieder auferstandene Hoffnung auf Liebe und auf
Frieden nach der Erfahrung von Hass und Gewalt.


Ostern ist die Gewissheit eines Neuanfangs nach dem Erleben von
Scheitern und Versagen.


Ostern ist der Lebensbeistand schlechthin, denn in dem
Ostergeschehen erlebe ich, dass, wie tief ich auch falle,
ein Engel erscheint und sagt: „Fürchte dich nicht“


Und deshalb darf uns dieses Leben mit tiefer und dankbarer Freude
erfüllen,


deshalb müssen wir nicht den Mut verlieren, wenn Angst und Grauen
diese Welt überschatten,


deshalb dürfen wir weiter festhalten an dem Glauben der
Gewaltlosigkeit und der Liebe,


deshalb dürfen wir allen Hasstiraden und demagogischen Parolen zum
Trotz getrost unseren Weg weitergehen,
den Weg der Versöhnung miteinander und mit Gott.


Denn in Ostern hat uns Gott gezeigt, dass seine Liebe zu den
Menschen und zu seiner gesamten Kreatur nicht umzubringen ist.


Auch wenn sie getreten und gedemütigt wird,
ans Kreuz geschlagen und verhöhnt wird – er lässt sie immer wieder
neu auferstehen.


In dieser Liebe dürfen wir uns geborgen fühlen im Leben wie im
Sterben.


Sie gebe uns Kraft und Zuversicht in Zeiten der Anfechtung und der
Zweifel.
Amen.