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Predigt · Jubilate · 25. April 2010 · Elisabeth Raiser

Posted on Mai 16, 2010 in Predigten

Predigt zu 1. Joh. 5, 1-4


Liebe Freundinnen und Freunde von Aktion Sühnezeichen
Friedensdienste, liebe Schwestern und Brüder!


„Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und
wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm
geboren ist. Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn
wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn das ist die Liebe zu
Gott, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht
schwer. Denn alles was von Gott geboren ist, überwindet die Welt,
und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Ein Junge verliebt sich in das Bild eines zauberhaften Mädchens mit
einer Eidechse, das in seines Vaters Arbeitszimmer hängt und das er
beim Mittagsschlaf jeden Tag betrachtet. Als der größer werdende
Junge nach dem Maler und der Herkunft des Bildes fragt, bleiben
seine Eltern stumm. Es gibt ein Geheimnis zwischen ihnen, das
offenbar mit dem Bild zusammenhängt und ihr Zusammenleben
bedrückend und beengend macht. Sie reden kaum miteinander und
kaum mit dem Kind.

Der Vater wird zum Trinker, er verliert seine Stelle. Der Junge wird
zum Mann und nach dem frühen Tod seines Vaters erbt er das nicht
signierte Bild. Er geht seiner Herkunft nach und entdeckt, dass das
Mädchen mit der Eidechse von einem berühmten Künstler stammen
muss, dessen Kunst unter den Nazis als entartet geächtet wurde und
der Deutschland verlassen musste. Das Bild ist wahrscheinlich sehr
wertvoll. Allerdings ist dies Bild in alten Katalogen nicht
verzeichnet, dafür ein ähnliches Bild des Künstlers mit dem Titel
„Die Eidechse und das Mädchen“ in dem die Proportionen genau
umgekehrt sind: ein riesige Eidechse neben einem verschwindend
kleinen Mädchen. Dies Bild gilt als verschollen.

Von seiner Mutter erfährt der junge Mann schließlich, dass der Maler
vor seiner Flucht vor den Nazis dem Vater das Bild zu treuen Händen
übergeben hatte – oder hatte der Vater es sich einfach angeeignet, die
Not des Künstlers ausnutzend? Das bleibt unklar, auch die Mutter
weiß es nicht. Der junge Mann liebt das gemalte Mädchen noch
immer – er kann sich von ihm nicht lösen und so wird das Bild wird
für ihn zur Obsession. Er fürchtet panisch, dass er es aus den Händen
geben muss, versteckt es unter dem Bett, wenn eine Freundin ihn
besuchen kommt, fürchtet er, dass das Bett zusammenkrachen und das
Bild zerstört werden könnte, wenn sie sich lieben – und eine
Beziehung nach der andern scheitert. Schließlich erträgt er es nicht
mehr. Er geht mit dem Bild zum Strand und verbrennt es. Beim
Aufschlagen der Flamme zeigt sich unter der Leinwand für einen
kurzen Augenblick eine zweite Leinwand mit einer großen Eidechse
mit einem kleinen Mädchen: es ist das geächtete Bild des emigrierten
Künstlers, das er unter dem harmloseren großen Mädchenbild
versteckt hatte. Es leuchtet noch einmal auf, dann verglüht es in den
Flammen.

Diese Geschichte von Bernhard Schlink erzählt davon, wie
zerstörerisch das Schweigen über die Vergangenheit sein kann. Der
Vater zerstört sich selbst, die Mutter wird zur unfreiwilligen
Komplizin eines ungeklärten Diebstahls und verbittert darüber, der
Sohn kann nicht zum reifen Mann werden, weil er das Verschweigen
erbt. Er ist unfähig, das Nächstliegende zu tun, nämlich das Bild
zurückzugeben. Erinnerung, diese große Gabe von uns Menschen, in
die Vergangenheit zu schauen und sie so zu verinnerlichen, dass
sinnvolle und versöhnliche Konsequenzen für das Handeln in der
Gegenwart gezogen werden können, diese Gabe lässt er nicht zur
Geltung kommen. Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung. Wir
haben diese Einsicht von unsern jüdischen Mitmenschen gelernt. (Wer
wüsste das besser als Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, dessen Engagement in den von Deutschland überfallenen Ländern seit seiner Gründung auf dieser Erkenntnis beruht?)

Was hat diese Art von Erinnerung mit der Liebe und mit der
Einhaltung von Gottes Geboten zu tun, die Schlüsselwörter in unsermheutigen Predigttext sind?

Wenn wir uns Gebote im 1. Testament, der hebräischen Bibel
ansehen, so fällt auf, dass sie immer im Zusammenhang eines
Bundesschlusses formuliert werden. Dem geht immer eine
Rettungsgeschichte voran. So ist der Bundesschluss zwischen Gott
und dem Volk Israel am Sinai, als Moses die Gesetzestafeln im
Empfang nimmt, der Höhepunkt nach der Befreiung des Volkes aus
der Sklaverei in Ägypten und der anschließenden 40 jährigen
Wüstenwanderung. Die Erinnerung an die Leiden, an die eigene
Fehlbarkeit und an die Rettung durch Gottes Handeln sind
ausdrücklich Teil der Gebote. Am sinnfälligsten zeigt sich das für uns
Nachgeborene beim 1. der 10 Gebote, (Ex. 20,2 -4): „Ich bin der Herr
dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt
habe. Du sollst keine andern Götter haben neben mir, du sollst dir kein
Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben
im Himmel, noch von dem, was untern auf der Erden, noch von dem
was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen
nicht….“ Diesem Gebot liegt die Erinnerung an die Rettung aus
Ägypten, aber auch an die Anbetung des goldenen Kalbes zugrunde.
Dann folgen die uns bekannten weiteren Gebote, und in den folgenden
Kapiteln des sogenannten Bundesbuchs eine Reihe weiterer
Weisungen, wie z.B. die Achtung des Fremden im eigenen Land,
„denn ihr wisset um der Fremdlinge Herz, denn auch ihr seid
Fremdlinge in Ägyptenland gewesen“: wieder dient die Erinnerung
zur Begründung des Gebots.

Die Erinnerung ist also der Nährboden, auf dem ein geglücktes
Zusammenleben in der Gegenwart erwachsen kann. Die dem 1.
Gebot folgenden weiteren Gebote beschreiben die Grundregeln des
menschlichen Zusammenlebens und des Lebens mit der Natur. Es sind
Weisungen, die die Menschen tunlichst befolgen sollten, wenn sie ein
gutes und geglücktes Leben führen wollen. Dabei ist auffällig, dass
die meisten nicht Ge-, sondern Verbote formulieren: du sollst nicht
töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugnis reden
wider deinen Nächsten, du sollst nicht begehren deines Nächsten
Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles was sein ist. Man möchte
heute hinzufügen: du sollst auch nicht begehren deines Nächsten
Kind! Beachten wir diese Grenzen nicht, achten wir die
Unversehrtheit unserer Mitmenschen nicht, holt uns unsere Schuld
irgendwann ein. Den Vater in der eingangs zitierten Geschichte holt
sein Diebstahl und sein Verschweigen ein und zerstört sein Leben.
Die Erzieher und Lehrer holen ihre Übergriffe auf die Kinder heute
ein und wenn sie nicht aus dem Innern heraus, im anspruchsvollsten Sinn der Erinnerung nicht bereuen, dann zerstört das auch ihr Leben.

Die Beachtung der Gebote oder wie wir es auch nennen können der
Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens sind unser Part in
dem Bund, den Gott mit den Menschen schließt. Der Gehorsam der
Menschen diesen Weisungen gegenüber soll nicht Gottes Autorität
erhöhen, sondern ein gelungenes Leben in Gemeinschaft ermöglichen.
Die klassischen zehn Gebote sind wie die Wegweiser auf unsern
Lebensstraßen. Aber sie umfassen nicht alles, was uns die Bibel zu
den Geboten sagt. Als ein Schriftgelehrter Jesus einmal fragte, was
denn das höchste Gebot sei, zitierte Jesus zwei andere Stellen aus der
Thora und antwortete: „Das höchste Gebot aber ist: Du sollst den
Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von
ganzem Gemüt und mit allen deinen Kräften (Deut.6, 4-5) und das
andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Liebe ist das Band, das das Dreiecksverhältnis zwischen Gott und den Menschen, der Menschen untereinander und der Menschen zu Gott
zusammenhält und erwärmt.

Und natürlich fangen wir dann an darüber nachzudenken, was denn
diese Liebe ist, von der das größte Gebot spricht. Wie zeigt sie sich?
Wenn wir ihre Temperatur messen, im Verhältnis zu der eher kühlen
Temperatur, die wir meist mit den Geboten verbinden, empfinden wir
sie als warm. Sie schafft einen Raum des Vertrauens, in dem wir
Menschen Schuld eingestehen, um Vergebung bitten und Vergebung
gewähren können. Das haben viele Freiwillige von Aktion
Sühnezeichen bei ihren Einsätzen in den von Deutschland im 2.
Weltkrieg überfallenen Ländern dankbar erfahren. Sie waren und sind
die Boten einer Umkehr in Deutschland und wenn sie Sühnezeichen
setzen, setzen sie zugleich Zeichen einer neuen Hoffnung für ein
versöhntes Zusammenleben der Menschen und der Völker. Wer
einmal erfahren hat, wieviel Freude und Zuneigung aus solchen
Begegnungen entsteht, kann sie nicht mehr vergessen, und sie wird
sein ganzes Leben prägen. Natürlich braucht das viel Mut. Ich
erinnere mich an ein Friedensgebet in Novi Sad im Norden Serbiens.
Wir, d.h. Frauen des Netzwerks Ökumenisches Forum Christlicher
Frauen in Europa hatten während des Krieges im Balkan eine
Partnerschaft mit den dortigen Frauen der verschiedenen
Konfessionen, Orthodoxe, Lutheranerinnen, Reformierte,
Katholikinnen begonnen. Wir unterstützten sie in ihrem
Friedensengagement und bei ihren sozialen Aktivitäten, wie den
Suppenküchen, der Arbeit mit Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet und
nahmen an den interreligiösen Friedensgebeten teil. Diesmal sollte das
Gebet in der Synagoge stattfinden und ich wurde gebeten ein
Grußwort zusagen, und zwar sollte ich deutsch sprechen. Noch heute
spüre ich mein Herzklopfen bevor ich das erste deutsche Wort sagte.
Denn an diesem Ort war deutsch zuletzt durch die SS Truppen
gesprochen worden, die die Juden der Voivodina zum Abtransport
nach Polen in der Synagoge zusammengetrieben hatten. In einem Stoßgebet zu Gott bat ich um seine Hilfe, um diese Tatsache
anzusprechen. Ohne dies Band zum Himmel hätte ich die Courage
nicht aufgebracht. Nach dem Friedensgebet kam der
Synagogenvorsteher zu mir und gab mir schweigend die Hand. Wir
Frauen umarmten uns und versprachen uns gegenseitig jedem
aufkeimendem Antisemitismus, jedem Hass und Misstrauen zu
wehren und alles in unserer Macht zu tun, um dem Frieden eine
Chance zu geben. Dies Versprechen bleibt gültig. Ich bin sicher, dass
viele von Ihnen auch diese Erfahrung gemacht haben: aus der
ehrlichen Erinnerung erwächst eine Hoffnung und ein Versprechen.
So ist auf der Basis des Vertrauens die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft verknüpft.

Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf finde ich die Übersetzung der
Bibel in gerechter Sprache hilfreich, die den zweiten Teils unseres
Abschnittes aus dem Johannesbrief so formuliert: „Daran erkennen
wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine
Gebote tun. Und so zeigt sich die Liebe zu Gott, dass wir seine
Gebote beachten, und seine Gebote sind nicht schwer. Denn alle, die
von Gott geboren sind, besiegen die Welt. Dies ist schon der Sieg
über die Welt: unser Vertrauen.“

Das Vertrauen trägt uns. Was heißt es aber, wenn Johannes sagt, die Gebote Gottes sind nicht schwer? Können wir das glauben? Dann
müsste die Welt, jedenfalls die christliche Welt doch ohne allzu große
Anstrengungen perfekt sein! Das ist sie zweifellos nicht!

Wir müssen uns bei dieser Frage allein schon mit der Tatsache
auseinandersetzen, dass sich das Verständnis, die Interpretation der
Gebote im Lauf der Zeit stark verändert. Es ist gar nicht so klar, was
die Einhaltung der Gebote eigentlich heißt. Gerade wenn wir die
Gebote als Weisungen zu einem guten Leben verstehen, entdecken
wir heute Gebote oder Verbote, die früher gar nicht im Bewusstsein waren, und umgekehrt galten früher Weisungen, Normen für ein gutesZusammenleben, die wir heute nicht mehr als gültig ansehen. Zum
Beispiel im Zusammenleben mit behinderten Menschen, dem letzten
Jahresthema von Aktion Sühnezeichen. In früheren Zeiten galt der
karitative Umgang mit ihnen als die gebotene christliche Haltung –
und die ersten Vertreter dieser Haltung wie der alte Vater
Bodelschwingh mussten sogar diese Haltung gegenüber ihrer
damaligen Gesellschaft, „der Welt“, wie der Johannesbrief den
Mainstream der Gesellschaft nennt, schwer erkämpfen. Denn die Welt
hatte behinderte Menschen bis dahin einfach ausgeschlossen,
weggeschlossen, möglichst unsichtbar gemacht. Heute nun versuchen
wir, mit Behinderten so zusammenzuleben, dass wir gleichberechtigte
Partner sind, von ihnen lernen können, ihre Gaben in ihrer
Besonderheit in unserer Gesellschaft zur Entfaltung bringen. Es geht
nicht nur um Integration, sondern Wertschätzung des Andersseins von
behinderten Menschen. Das heißt für ASF zum Beispiel, dass nicht
nur Freiwillige mit Behinderten arbeiten, sondern dass behinderte
junge Männer und Frauen selber als Freiwillige in den Projekten
arbeiten können. Das ist eine neue große Herausforderung, die ASF
verändert. Vor dreißig Jahren wäre das noch undenkbar gewesen.

Oder nehmen wir das Beispiel Krieg und Frieden, die Ethik des
Kriegs und des Friedens. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit sprachen
die christlichen Ethiker vom gerechten Krieg und entwickelten
Normen für eine humane Kriegsführung, die bestimmte Regeln
beachtete, so z.B. den Einsatz der Waffen nur im Verteidigungsfall
oder den Schutz der Zivilbevölkerung vor Kriegshandlungen. Heute
sprechen die meisten Kirchen vom gerechten Frieden, den es zu
erreichen gilt. Der Ökumenische Rat der Kirchen, in dem rund 350
Kirchen aus aller Welt zusammengeschlossen sind, bereitet eine
Friedenskonvokation vor und arbeitet an einer Erklärung zum
gerechten Frieden. Krieg ist Ausdruck der Unerlöstheit der Welt und
überhaupt nicht zu rechtfertigen. Die von Gott geboren sind, besiegen die Welt, sagt der Johannesbrief – nach dem Verständnis der neueren
Friedensethik heißt das auch: sie besiegen den Krieg. Das ist nicht
nur ein Gebot des Glaubens, sondern auch der Vernunft. Aber es
erfordert die Entwicklung eines neuen Umgangs mit dem Gegner, eine
intelligente Feindesliebe, wie es früher einmal formuliert wurde, und
das wiederum wird uns nicht in den Schoß gelegt, sondern bedarf
einer großen moralischen und politischen Anstrengung. Was das z.B.
für Afghanistan bedeutet, ist die große Frage unserer gegenwärtigen
Diskussion um Krieg und Frieden. Ebenso was es für Israel und
Palästina bedeutet. Eine Predigt ist nicht der Ort für eine Diskussion
der Optionen. Aber ich sehe nicht, wie das Vertrauen in ein friedliches
Zusammenleben der Israelis und der Palästinenser wachsen kann,
wenn Raketen und Selbstmordattentäter die israelische Bevölkerung
bedrohen, aber auch nicht, wenn die stärkere Seite, Israel, seine
Machtmittel in erster Linie dazu nutzt, um die politisch und
militärisch schwächeren Palästinenser zurückzudrängen und das
Leben in dem besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem
unerträglich werden zu lassen. Jedenfalls kann Israel sein eigenes
legitimes Sicherheitsinteresse nicht befriedigen, solange die
elementare menschliche Sicherheit seiner palästinensischen Nachbarn
nicht gesichert ist. Wenn früher von Sicherheit gegen den potentiellen
Feind gesprochen wurde und die Politik ganz darauf abgestellt war, so
kommt es heute darauf an, ein Konzept der gemeinsamen Sicherheit
zu entwickeln.

Auch in der Erziehung der Kinder haben sich die Normen im Lauf der
Zeit grundlegend verändert. Zur Zeit ist die Reformpädagogik in
Verruf geraten, die sich ihrerseits als Schrittmacherin im Verständnis
des Kindes und in der Theorie und Praxis des Lernens empfunden
hat. Sie hatte ja auch Recht! Die Vordenker der Reformpädagogik
haben als erste von der Unversehrtheit des Kindes als Maßstab für die
Erziehung gesprochen. Das ist eine Vorstellung, die die Würde des
Kindes achtet. Zugleich wurden eine neue Nähe und ein liebevoller Umgang mit Kindern gesucht statt der strengen und mit Verboten
gepflasterten Erziehung der früheren Pädagogik. Dadurch dass einige
ihrer Vertreter die neue Nähe zu den Kindern missbraucht haben,
denken wir heute wieder über den Wert der Distanz nach, der den
Kindern eine autonome Entwicklung erst ermöglicht. Die Normen
ändern sich. Aber werden wir dadurch zu besseren Menschen? Das
wäre ein gravierender selbstgerechter Irrtum. Wir sind nicht bessere
Menschen als unsere Väter und Mütter! Aber wir haben Erfahrungen
der früheren Generationen aufgenommen und versucht daraus etwas
zu lernen. Wir befinden uns auf einem Weg, auf dem wir immer
wieder Entscheidungen fällen müssen. Wir suchen nach den besten
Schritten. Aber wir sind auch heute dabei alles andere als unfehlbar.
Das braucht uns nicht zu entmutigen. Von Gandhi haben wir gelernt:
There is no way to peace – peace is the way. Es gibt keinen Weg zum
Frieden, der Friede selbst ist ein Weg. Das Vertrauen in Gott und in
die Begleitung durch Jesus Christus auf unserm Weg gibt uns die
Möglichkeit, auf diesem Weg die Angst zu überwinden und auf
unsere Mitmenschen auch jenseits unserer selbst gemachten Grenzen
und Mauern zuzugehen. Und sei dies noch so schwer. Das Vertrauen
auf Gottes Gegenwart lässt dem Mut zu neuen Schritten einen weiten
Raum. In diesem Sinn sind seine Gebote nicht schwer.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen